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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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sie seinen Gewinn anscheinend gar nicht bemerkt. Die Hände am Geld
    in seinen Jackentaschen, drängte er sich durch die Menge, stolperte durch das Restaurant und über den Hinterhof auf die Gasse mitten unter die Schatten der Herumtreiber, die jetzt, da seine Augen nicht an die Dunkelheit gewohnt waren, noch gespenstischer wirkten. Und dann war er drau‐
    ßen auf der Straße.
    Sein ganzer Körper jubilierte. Er hatte fast zweihundert Pfund gewonnen. Seine siebzehn Pfund und zehn Schilling
    waren zu zweihundert Pfund geworden!
    Die Worte zweihundert Pfund› tauchten wieder und
    wieder in seinem Bewußtsein auf. Zweihundert Pfund.
    Zweihundert Pfund. Zweihundert Pfund. Unglaublich.
    ZWEIHUNDERT PFUND!
    Und noch dazu hatte er den nicht angerührten Lohn‐
    scheck in der Tasche.
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    Noch nie in seinem Leben hatte er so viel Geld gehabt!
    Er konnte spüren, wie es sich in seinen Taschen blähte, wie
    es seine Kleider bauschte, wie es raschelte, wenn er ging.
    Er mußte irgendwohin, wo er es zählen und anschauen
    konnte.
    An die Zeit, die er brauchte, um ins Hotelzimmer zu‐
    rückzugelangen, sollte er sich später nicht mehr erinnern, nur an den Moment, da er nach dem Schlüssel tastete, und das nur, weil er dazu in den Geldscheinen in seinen Taschen wühlen mußte.
    In seinem Zimmer warf er das Geld auf den Boden und
    zählte es sorgfältig, indem er die Scheine nach ihrem
    Nennwert auslegte. Darm nahm er seinen Lohnscheck her‐
    aus und legte ihn neben das Geld.
    Zweihundert Pfund in Noten, dazu einen Scheck über
    einhundertvierzig Pfund. Dreihundertundvierzig Pfund!
    Und morgen war er in Sydney.
    Er schaute in den Spiegel und betrachtete sein Gesicht: Jung, immer noch straff, schweißgebadet, die Augen glitzernd vom Reiz des Gewinnens, das glatte Haar zerwühlt, wo er mit seinen Fingern hindurchgefahren war.
    «Grant», sagte er zu seinem Spiegelbild, «du bist ein
    kluger Junge.»
    Er warf sich rücklings aufs Bett und starrte an die Decke, die Haut prickelnd vor Glück.
    Zum ersten Mal seit langem dachte er an Robyn und
    lachte über sich selbst, weil er annahm, zweihundert Pfund könnten sie für ihn erreichbarer machen. Robyn mit den
    langen blonden, zu Zöpfen geflochtenen Haaren. Robyn,
    selbstsicher, souverän und unnahbar. Robyn, wie er sie das letzte Mal vor einem Jahr gesehen hatte, eine Woche bevor 47
    er nach. Tiboonda ging, wie sie am Tor vor ihrem Haus stand, mit dem Licht im Rücken, das ihr Haar zum Leuchten brachte.
    Robyn, die ausgesprochen wenig Interesse an John
    Grant gezeigt hatte. Aber oh Gott, sie war ein wunderbares Mädchen!
    Könnte er nicht jetzt, in diesem Augenblick, ein Fern‐
    gespräch mit ihr führen, um ihr zu sagen, daß er nach Hause kam, daß er reich war? Andererseits war Robyn an Geld gewöhnt, anders als er, und fand dreihundertvierzig Pfund wohl nicht besonders beeindruckend.
    Er lachte, sprang vom Bett und fing an, sich auszuzie‐
    hen. Dann hielt er inne, betäubt von der Ungeheuerlichkeit
    eines Gedankens.
    Hätte er seine Wette stehengelassen, und wäre nur noch
    einmal Zahl geworfen worden, dann hätte er nie mehr
    nach Tiboonda zurückkehren müssen. Er hätte vierhundert
    Pfund gewonnen. Die vierhundert Pfund und sein Lohn‐
    scheck hätten gereicht, den Vertrag mit dem Erziehungs‐
    ministerium aufzulösen, und ihm genug zum Leben gelas‐
    sen, während er in Sydney Arbeit suchte.
    Eine Drehung der Münzen. Fünf Sekunden, und ihm
    wäre ein ganzes Jahr Tiboonda erspart geblieben. Wäre?
    Könnte immer noch!
    Er setzte sich aufs Bett und betrachtete das Geld. Es war wunderbar, aber was ermöglichte es ihm, abgesehen von
    ein paar herrlichen Wochen in Sydney? Die konnte er sich mit seinem Lohn sowieso leisten. Und wenn er die zweihundert Pfund verlor, wäre er nicht schlechter dran, als wenn er die ursprünglichen zweiundzwanzig Pfund und
    zehn Schilling verloren hätte.
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    Wenn er aber gewann, könnte er morgen in Sydney
    sein, um für immer dortzubleiben.
    Er überlegte mehrere Minuten hin und her, legte sich in genauen Sätzen dar, warum sich das Risiko lohnte, und
    hatte sich nach gebührender Zeit schließlich überzeugt.
    Er betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Das Glitzern in seinen Augen war verschwunden, dafür war seine Haut
    straffer. Er stand langsam auf, zog seine Jacke an, steckte den Scheck in die Brieftasche zurück, blickte noch einmal in den Spiegel, grinste seinem gedankenverlorenen Gesicht zu und machte sich auf den Weg zum

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