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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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einem Hotelbett in Bundanyabba und hatte kein Geld!
    Grant rollte vom Bett, wich dem grauen Gesicht im
    Spiegel rasch aus und trat, immer noch nackt, ans Fenster.
    Er schaute hinaus, ohne den schäbigen Hotelhof und die
    Lattenzäune der Hinterhöfe benachbarter Läden wahrzu‐
    nehmen. Es war kurz nach Tagesanbruch, aber die drüc‐
    kende Hitze der Nacht hatte bereits dem scharfen, grellen Leuchten der Sonne Platz gemacht.
    Er drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an
    die tapezierte Holzwand, um einen Hauch Kühle aus ihr zu
    ziehen. Dann nahm er den Krug vom Tisch, goß ein wenig lauwarmes Wasser über seinen Kopf und ließ es den Körper
    hinabrieseln.
    «Es hat keinen Sinn», sagte er laut, «hoffnungslos und
    hilflos zu sein.»
    Worte halfen allerdings kaum, um die Selbstverachtung
    zu beschwichtigen, die sich lautstark in seinem Inneren
    meldete.

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    Er setzte sich auf das Bett und betrachtete sich im Spiegel. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein dunkler Bartschatten; sein feuchtes Haar klebte am Schädel; auf Brust und Stirn hatte sich bereits ein bißchen Schweiß angesammelt.
    Er versuchte zu lächeln und sah, wie seine Lippen rea‐
    gierten, aber seine Augen blieben stumpf und hohl.
    «Das Leben», sagte er, laut, wie schon zuvor, «wird mix nach dem Frühstück besser vorkommen.»
    Er legte sich noch einmal aufs Bett, und es gelang ihm beinahe einzuschlafen, bis eine Hoteluhr schlug und ihn
    daran erinnerte, daß es Zeit war zu duschen, sich zu rasieren und anzuziehen, um sich in halbwegs annehmbarem
    Zustand einer Welt zu präsentieren, die mit einemmal
    übermäßig kompliziert geworden war.
    Das Frühstück war überraschend gut, vor allem des‐
    wegen, weil jemand im Hotel die Idee gehabt hatte, ge‐
    kühlte Papaya auf die Speisekarte zu setzen. Darüber dachte
    er ein Weilchen nach, dann trank er den milchigen Kaffee und rauchte die erste Zigarette des Tages.
    Die erste Zigarette, die erste von elf, die noch in der letzten Schachtel lagen. Zwei Shilling und sieben Pence waren alles, was er in seinen Taschen gefunden hatte. Er über‐
    legte sich, besser alles zu essen, was das Hotel anbot, weil nur eine sehr geringe Chance bestand, heute noch einmal etwas zu bekommen. Aber die Hitze machte ihm zu schaffen, und sein Mund brannte von der pausenlosen Qualme‐
    rei der letzten Nacht, darum aß er nur die Papaya.
    Er bestellte eine zweite Tasse Kaffee und steckte eine
    neue Zigarette an, denn elf würden ja ohnehin nicht lange vorhalten.
    Es waren kaum Gäste im Speisesaal, er hatte einen Tisch 56
    für sich, und während der zweiten Zigarette kam der
    Moment, in dem er sich seine Situation vergegenwärtigte.
    Er mußte den Tatsachen ins Auge sehen: Was sollte er
    tun?
    Es gab niemanden, von dem er Geld leihen konnte, und
    es gab bestimmt niemanden, dem er erklären konnte, daß
    er sein ganzes Geld beim Spielen verloren hatte.
    Und überhaupt: Wieviel sollte er sich leihen? Allein um die Zeit zu überbrücken, bis der nächste Lohnscheck fällig wäre, brauchte er mindestens hundert Pfund.
    In Sydney hatte er die Aussicht, für eine gewisse Zeit bei entfernten Verwandten unterzukommen. Aber was war es
    für eine Aussicht, sich mit zwei Shilling und sieben Pence sechs Wochen lang durchschlagen zu müssen?
    Wie sollte er überhaupt nach Sydney kommen? Eine
    einfache Zugfahrt kostete etwa zehn Pfund, selbst wenn er bereit war, die vierzigstündige Reise ohne Geld für Essen auf sich zu nehmen. Und wenn er in Sydney ankam, würde
    er dann zu Fuß mit seinen Koffern zu seinem Onkel hinaus‐
    wandern, fünfzehn Meilen vor die Stadt?
    Ganz abgesehen davon war die ganze Sache ohnehin
    rein theoretisch, weil er keine zehn Pfund besaß.
    Konnte er etwas verkaufen? Nur seine Kleider, und in
    Bundanyabba gab es wohl kaum einen großen Markt für
    gebrauchte Kleider. Seine Uhr war alt und zerkratzt und höchstens ein paar Shilling wert; außerdem kannte er in dieser Stadt nichts, das einem Pfandhaus auch nur ähnlich war.
    Er mußte irgendeine Arbeit in Bundanyabba finden,
    das war die einzige Möglichkeit, die ihm blieb. Ein Job in einem Geschäft oder in einem Büro, als Handlanger −

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    irgend etwas, damit er sich die Fahrt nach Sydney leisten konnte.
    Aber wo sollte er in der Zwischenzeit wohnen? Vor
    Montag bekam er keine Arbeit, und im Hotel konnte er
    nicht bleiben, weil die Rechnung höher wäre als sein Lohn.
    Der Gegensatz zwischen dem, was ihn erwartete, und
    dem, was er sich letzte

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