Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
Vom Netzwerk:
Brieftasche.
    Er hatte jetzt zweiundzwanzig Pfund und zehn Shilling.
    Mal zwei waren das fünfzig Pfund. Zweimal fünfzig
    machte einhundert. Zweimal einhundert machte ...
    Mit neugewonnener Selbstsicherheit drängte er sich
    durch die Menge und schaffte es sogar, sich auf die Bank am Ring zu quetschen. Er nahm sein ganzes Geld aus der Brieftasche, hielt es in der Hand und wartete auf den Ab-schluß des aktuellen Wurfs.
    Er verschwendete keinen Gedanken daran, ob er Kopf
    oder Zahl wetten sollte. Geld durch puren Zufall zu gewin-43
    nen, das war, worum es ihm ging, obwohl er genau
    wußte, daß der Zufall nicht von einer Laune bestimmt
    wurde.
    Als es ans Setzen ging, ließ er seinen Einsatz zu Boden fallen und rief: «Zweiundzwanzig Pfund und zehn Shilling auf Zahl.» Für Zahl entschloß er sich nur, weil der Mann neben ihm «Kopf» rief.
    Sofort ließ jemand ein Bündel Noten auf Grants Geld‐
    scheine fallen.
    «Zweiundzwanzig zehn auf Kopf», sagte eine Stimme
    über ihm und fügte im Plauderton hinzu: «Mach das nächste Mal dreiundzwanzig draus, Kumpel.» Erst jetzt reali‐
    sierte Grant, daß die zehn Shilling vielleicht etwas unpas-send waren.
    Und wieder änderte sich seine Stimmung. Er fühlte sich
    merkwürdig abwesend. Seine Wette war gemacht, in weni‐
    gen Augenblicken besaß er fünfzig Pfund oder gar nichts mehr. Jetzt war es zu spät, um seine Meinung zu ändern.
    Trotzdem sagte er sich immer wieder: «Es macht nichts,
    wenn du verlierst. Du riskierst etwas. Es macht nichts, wenn du verlierst.» Aus einem Instinkt heraus, den er nicht
    analysieren konnte, hielt er die Augen fest geschlossen und ließ den Kopf hängen, um von dem Spieler, dessen Geld
    vor ihm lag, nicht gesehen zu werden.
    Seine Augen waren noch geschlossen, als er hörte, wie
    jemand «Zahl» rief.
    Ich besitze fünfzig Pfund, dachte Grant und drehte sich um, um seinem Gegenspieler die zehn Shilling zu geben,
    aber hinter ihm rührte sich nichts. Bei diesem Spiel waren zehn Schilling unerheblich.
    Sein Geld lag immer noch vor seinen Füßen.
    44
    «Läßt du das alles auf Zahl, Kumpel?» fragte eine
    Stimme über seinem Kopf.
    Irgendwo in seinem Hirn dachte er darüber nach, ent‐
    schied sich dafür und sagte: «Ja.» Gleichzeitig dachte er: Gütiger Gott, warum habe ich nicht wenigstens etwas herausgenommen?
    Aber schnell fiel ein Bündel Geldscheine auf den Boden, und er hatte einhundert Pfund vor sich.
    Jetzt kümmerte es ihn keinen Deut mehr, wie er aussah.
    Seine Hände zitterten wie verrückt, als er sich eine Zigarette
    ansteckte und den Rauch tief in die Lungen hinabsog.
    Mit schrecklicher Deutlichkeit nahm er den verqualm‐
    ten Raum wahr, die Hitze, die wirkte, als könnte man sie schaufeln, die schwitzenden, angespannten Gesichter der
    Spieler und die gleichgültige Gier der Spielleiter. Dann flogen die Münzen höher und höher und noch höher, drehten
    sich in einem Doppelbogen, kleine kupferfarbene Scheiben
    des Schicksals, und stürzten zu Boden.
    «Mein Gott», sagte Grant laut, «Zahl!»
    Er betrachtete sein Geld, das grün und zerknittert vor
    ihm lag, und beugte sich nach vorn, um es einzusammeln.
    Und während er es aufhob, erfuhr er die dritte seltsame Gefühlsregung an diesem Abend − den unerschütterlichen
    Glauben des Spielers. Er wußte, daß die Münzen wieder auf
    Zahl fallen würden. Er wußte es mit derselben Sicherheit, mit der er wußte, daß er existierte. Er mußte, wie er rasch begriff, nur den Willen aufbringen, seiner Überzeugung
    zu folgen.
    Er setzte sich aufrecht hin, ließ sein Geld, wo es war, und schrie: «Einhundert Pfund auf Zahl!»
    Drei andere Spieler stiegen ein, um Grants Einsatz zu

    45
    decken. Während die anderen Wetten gemacht wurden,
    saß er auf der Bank und bückte sich um. Sein Gehirn war ausgeschaltet; er war besessen von einer Vorahnung, und
    während dieser fremde Teufel zu ihm sprach, dachte Grant nicht darüber nach, was er hier tat.
    Als die Münzen ihren Bogen beschrieben und ihren
    Weg nach unten antraten, spürte er leisen Zweifel, aber es blieb nicht die Zeit dafür, daß dieser Zweifel eine feste Form
    annahm, da der Spielleiter rief: «Und es ist wieder Zahl!»
    Grant fühlte einen Stich im Magen. Für einen Moment
    glaubte er, über seinem Gewinn zusammenzubrechen.
    Dann beugte er sich nach vorn und fing an, die Geldscheine
    in seine Taschen zu stopfen.
    Er dachte nicht daran, den Spielleitern ein Trinkgeld
    hinzuwerfen; da sie nichts forderten, hatten

Weitere Kostenlose Bücher