In Furcht erwachen
verhalten sollte. Offensichtlich war er
versucht, ihn gehen zu lassen und einfach zu vergessen. Für
einen Augenblick dachte Grant, er würde genau das tun,
und er begann sich zu wünschen, er hätte es nicht vorgeschlagen − zurückzukehren auf die Straßen von Bundan‐
yabba.
«Und wo wollen Sie hin, Mann?»
Auf diese Frage gab es keine Antwort. Grant verhaspelte sich, murmelte etwas Undeutliches; er wußte, daß Hynes
darauf bestehen würde, daß er blieb, und er war froh dar‐
über.
Hynes kam mit einer Flasche Bier auf ihn zu.
«Sie bleiben für eine Weile hier», sagte er und füllte Grants Glas, «wir müssen sehen, daß wir einen Job für Sie finden.»
Inzwischen war Grant sicher, daß Hynes weder die Ab‐
sicht noch einen Plan hatte, Arbeit für ihn zu finden. Aber es war bestimmt besser, die Dinge für eine Weile auf die lange Bank zu schieben. Es hatte keinen Sinn, angetrunken davonzutorkeln.
«Setzen Sie sich hin, und unterhalten Sie sich mit Ja‐
nette», sagte Hynes. «Oder können Sie sich etwa nicht für ein, zwei Stunden mit einem hübschen Mädchen amü‐
sieren?» Hynes kehrte zu seinen Freunden zurück und ließ die Bemerkung wie einen Klumpen aus etwas leicht Ekel-erregendem zwischen Grant und Janette zurück; etwas, von
dem man keine Notiz nehmen wollte, dessen man sich aber
überaus bewußt war.
Zumindest nahm Grant an, daß sie beide die Sache so
sehen mußten. Janette lächelte tatsächlich, als er sich wieder hinsetzte, «Warum wollen Sie arbeiten?» fragte sie.
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«Das Übliche. Um an Geld zu kommen.» Er schaute auf
seine Uhr, es war fast halb sechs. Wie lange hatte er betäubt
dagesessen?
Janette sah ihn prüfend an; war da ein Fünkchen Wärme
in ihrem Blick, oder täuschte er sich? Eine bestimmte Nu-ance in ihrem Verhalten, die ihm den Zutritt zu dem Kreis von Leuten erlaubte, mit denen sie bereit war zu verkehren.
Offensichtlich war eine weitere Erklärung seiner Lage
gefragt, und er tischte ihr die gleiche Version seiner Not-lage auf wie ihrem Vater.
«Trotzdem», sagte sie, «sobald der Scheck kommt, sind
Sie aus dem Schneider, nicht wahr?»
Jedesmal, wenn Grant sein Glas anschaute, war es leer;
Hynes, immer noch gereizt und unsicher, was er von seinem Gast halten sollte, hörte nicht auf, quer durchs Zimmer zu ihm zu kommen, um es aufzufüllen, und ihm zu
versichern, er würde ihn schon irgendwo unterbringen.
Hynes war sehr betrunken, und Grant spürte, daß er
ihm durch die gewölbten, pastellfarbenen Korridore der
Trunkenheit folgte; seine Stimme hallte in seinen Ohren
wider, sein Körper dehnte sich aus, überlebensgroß und
voller Schwung; mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen blickte er voller Hohn auf das Leben und seine eigene mißliche Lage.
Grant war ganz schön betrunken, und obwohl er sich
kaum bewußt war, was er tat, brachte er den Salat und das Fleisch herunter, das ihm und den anderen Männern später
am Abend im Eßzimmer von einer schweigenden Mrs.
Hynes serviert wurde.
Er schwankte nicht, als er sich auf den Weg aus dem
Zimmer machte.
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Dennoch gab es Lücken in der Kette der Ereignisse, und er konnte sich nicht genau daran erinnern, wie er sich von Punkt zu Punkt bewegt hatte.
Seine Stimme war kräftig und voll, außerdem redete er
sehr langsam, als er Janette fragte, warum in aller Welt sie in Bundanyabba blieb.
Das war draußen auf der vorderen Veranda. Nur die
Götter wußten, wo sich die anderen aufhielten. Janette jedenfalls stand ganz schön dicht bei ihm, sehr dicht.
Die Sterne des Westens bedeckten den Himmel, sie er‐
loschen nur dort, wo der Mond sein Licht in einem kaska-denartig herabstürzenden Strom ausbreitete, um der Stadt
Bundanyabba für ein Weilchen Anmut zu verleihen.
Grant atmete die laue Luft ein und starrte mit majestätischer Melancholie auf die schimmernden Dächer der Stadt.
«Das Mondlicht», sagte er, «wie Schnee auf der Wüste
staubigem Antlitz.»
Janette antwortete nicht, und er fügte hinzu: «‹Eine
kleine Stunde oder zwei zu leuchtem. Erinnern Sie sich?»
Sie sagte noch immer nichts.
«Das ist aus einem Gedicht», sagte er ein bißchen weniger hochtrabend.
«Ich weiß.»
Machte er sich hier zum Esel? Janette schien es nicht so zu sehen. Sie redete jetzt mit ihm. Er kriegte nicht ganz mit,
was sie sagte, aber es klang angenehm. Janettes Stimme war
tief und weich und Robyn fast zweitausend Meilen weit
weg. Robyn war ohnehin ein verlorener Fall, und
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