In Furcht erwachen
griechischer Ebenmäßigkeit, ihr Körper weich und stark zugleich.
«Wir machen lieber, daß wir nach Hause zum Mittages‐
sen kommen.»
Grant wurde klar, daß er sanft gelächelt hatte, er spürte, wie seine Gedanken durcheinanderpurzelten und anein-anderstießen, als er sie neu ordnete, um Hynes gegenüber-zutreten, der die Arme voller Bierflaschen hatte, einge‐
schlagen in braunes Papier.
«Ich kann mich Ihrer Frau doch nicht einfach so zum
Essen aufdrängen.» Grant redete leise.
«‘türlich können Sie. Sie ist das gewohnt.»
«Ja. Aber um ganz ehrlich zu sein, alter Herr, ich hab ein bißchen zuviel getrunken und möchte in diesem
Zustand nicht unbedingt das Heim eines Fremden besu‐
chen ...»
«In Yabba gibt es keine Fremden, Mann, kommen Sie
schon mit.»
Es war fast eins. Sie hatten drei Stunden getrunken.
Hynes schwankte, als er vor ihm aus der Bar ging. Grant ging aufrecht, aber langsam und war sich durchaus be-wußt, wie sehr er sich zusammennahm. Hynes öffnete die
Hintertür eines großen Ford und stellte das Bier auf den Rücksitz.
67
«Rein mit dir», sagte er zu Grant und ging zur Fahrerseite hinüber.
Grant fummelte am Türgriff herum, aber schließlich
schaffte er es einzusteigen.
Das Auto hatte stundenlang in der Sonne gestanden,
und die Hitze in seinem Innern verschlug ihm den Atem.
Mit der Gleichgültigkeit des Trinkers betrachtete er sein eigenes Unbehagen aus weiter Ferne.
Bald muß ich mich um die Zukunft kümmern, dachte
er in einem entfernten Winkel seines Gehirns, aber für den Augenblick war er ein Mann, der das Leben nimmt, wie es kommt.
Sie fuhren an den Rand von Bundanyabba, vorbei an
der katholischen Kathedrale, die viel zu solide und dauer-haft für diese Stadt wirkte.
Hynes’ Zuhause war ein flacher, breiter, mit Schindeln
verkleideter Bungalow und der Andeutung eines Vorgar‐
tens.
Hynes ging über die breite Veranda voraus, stieß die
Vordertür auf und trat in eine dunkle Diele, die eine Kühle versprach, die sie nicht bot, weil es im Dezember in Bundanyabba nirgendwo kühl war.
«Gehen Sie rein, und setzen Sie sich», sagte er zu Grant und schob ihn in ein Nebenzimmer. «Ich sag meiner Frau Bescheid, daß wir hier sind.»
Grant stand in einem verdunkelten Wohnzimmer mit
schweren Gardinen und dickem Teppich.
Ihr Geschmack ist zweifellos kläglich, dachte er, aber
der Komfort ist enorm. Er setzte sich in einen tiefen Lehn-stuhl mit Lederbezug und hölzernen Armlehnen.
Als sich seine Augen an die Düsterkeit gewöhnt hatten,
68
ertappte er sich dabei, kleine Übungen mit seinem Gehirn zu veranstalten und zögerlich die Ansicht aufzugeben, der Raum sei übermöbliert; er war ziemlich angenehm.
Grant griff nach einer Zigarette, bemerkte, daß es seine letzte war, und nahm statt dessen eine aus dem Zierkästchen auf dem Couchtisch.
Er zündete sie an, lehnte sich zurück und inhalierte.
Das war auf jeden Fall besser, als die Straßen auf und ab zu
wandern. Sobald er sich ein wenig nüchterner fühlte,
würde er sich ernsthaft dem Problem zuwenden, Arbeit zu finden.
Letztlich war er nicht völlig ruiniert. Er mußte bloß
einen Weg finden, um ein paar Pfund zusammenzukrie‐
gen, dann konnte er es immer noch schaffen, einige Wo‐
chen in Sydney zu verbringen. Und wenn nicht, na ja, es war nur noch ein Jahr in Tiboonda.
Ein weiteres Jahr in Tiboonda ... vergiß das jetzt, es ist besser, sich nicht allzu verrückt zu machen.
Ein großes, ernstes Mädchen kam ins Zimmer und
sagte: «Dad ist in ein paar Minuten hier.»
Grant erhob sich schnell und verbeugte sich leicht, realisierte aber, noch während er aufstand, daß das einen
Hauch zu vornehm war. «Guten Tag. Wie geht es Ihnen?»
sagte er.
«Gut − wie geht es Ihnen?» Die Art, wie sie es sagte, verriet Grant, daß sie genau wußte, daß er betrunken war.
Sie setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl.
«Ich muß mich wirklich dafür entschuldigen, daß ich
mich Ihnen so aufdränge. Aber Ihr Vater hat mehr oder we‐
niger darauf bestanden.»
«Das tut er meist.» Grant begriff, daß es schon oft
69
vorgekommen und er nichts als ein weiterer schäbiger
Zwischenfall war, den man mit Toleranz ertragen mußte.
Sie war sehr schlank, aber ihr Körper deutete volle Run-dungen an, und der dunkle, geblümte Rock, den sie trug, schmiegte sich an ihre Beine, wenn sie sich bewegte. Ihre Haare waren lang und dunkel, ihre Augen ausgesprochen
groß. Ihr Mund war ebenfalls
Weitere Kostenlose Bücher