In Furcht erwachen
sich alle
Mühe, trotz des Alkoholnebels in seinem Gehirn nachzu‐
denken. Offensichtlich sollte er dazu gebracht werden, dieses Mädchen zu verführen oder zuzulassen, von ihr ver‐
führt zu werden, aber er wollte die Dinge etwas klarer. Und
außerdem gab es hier bestimmte technische Schwierigkei‐
ten ...
Dennoch: Sie wußte bestimmt, was sie wollte. Also wa‐
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rum nicht? Er würde. Würde er? Ja, er würde, warum
nicht? Ja, er würde.
Er glaubte immer noch, etwas sagen zu müssen, aber es
fiel ihm nichts ein, jedenfalls nichts, was gut ankäme.
Und da war Robyn, Robyns blondes Haar ... aber Ro‐
byn war ja gar nicht hier. Robyn war weit, weit weg. Und überhaupt: Was bedeutete ihm Robyn eigentlich?
Plötzlich fiel ihm ein, daß er noch nie eine Frau gehabt hatte. Ihm war klar, daß ihn dieser Gedanke in nüchternem
Zustand erschreckt hätte. Aber so, wie die Dinge lagen, fühlte er sich nur von der Unvermeidbarkeit des Ganzen
überrumpelt. Es war zu spät für einen Rückzieher.
Er war zu betrunken, um die Zwangsläufigkeit der Lei‐
denschaft zu erkennen, aber seine betäubten Impulse dik‐
tierten ihm, was zu tun war: Er streckte sich neben ihr aus,
drückte im Staub seine Zigarette aus und legte einen Arm über ihren Körper.
Sie lagen Gesicht an Gesicht. Alles, was Grant sehen
konnte, war ein verschwommenes Bild ihrer Wangen, ihrer
Haare, Lippen und ihrer großen, geschlossenen Augen. Er
schob sich näher, stützte sich auf einen Ellbogen und be-rührte ihre Kehle mit der Hand.
Sie lagen vielleicht eine Minute lang so da, Janette atmete immer schneller, öffnete aber nicht ein einziges Mal die Augen.
Grant küßte sie, ein wenig unbeholfen; doch dann rea‐
gierte sie, es war seltsam, wie ihre Lippen seine Lippen hebkosten, und da, da war endlich ein Funke Leidenschaft, der durch seinen Körper zuckte, aber das hielt nicht lange an.
Irgendwo weit draußen hinter der Mine kläffte ein
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Fuchs, ein Ruf, der ihre völlige Abgeschiedenheit nur noch größer machte.
Als Grant sich fragte, was er als nächstes tun sollte, er-faßte ihn Traurigkeit. Das war nicht gerade das, was er sich
vorgenommen hatte. Was, wenn er hier draußen in dem
öden Land, das er verabscheute, ein Kind zeugte? Wie der Körper des Mädchens bebte und zitterte! Er verhielt sich passiv, dabei wünschte er, er könnte sich in der Begierde verlieren. Aber alles, was er fühlte, war die triste Gewißheit
seiner Absichten.
Der Fuchs kläffte wieder, jetzt noch weiter entfernt.
Grant lag da und sah Janette an, erstaunt und verwirrt über sich selbst, über sie und über das Mondlicht auf der staubigen Erde.
Langsam fuhr Janette mit den Händen an ihren Aus‐
schnitt und öffnete die Knöpfe ihres Kleides. Sie zog den Stoff beiseite, und Grant sah, daß sie darunter nichts an-hatte.
Sie breitete ihre Arme aus, ließ den Kopf zurücksinken
und entblößte ihre Brüste unter dem Mond.
Grant blieb liegen und starrte sie an. Er sehnte sich nach der wilden Freude, die ihm ihr Anblick bereiten sollte.
Da mußte doch mehr dabei sein als nur dies; etwas Be‐
stimmteres, selbst bei dieser Art simpler Begierde.
Der Fuchs kläffte wieder, nun so weit entfernt, daß sie ihn fast nicht mehr hören konnten.
Janette streckte einen Arm aus und zog Grant auf sich.
Wieder flackerte Leidenschaft auf, und er stellte sich der Aufgabe. Doch als sich ihre Arme um seinen Hals schlossen, überkam ihn Übelkeit, unvorstellbar heftige Übelkeit.
Er rollte von ihr herunter, kniete sich ins Gestrüpp und 83
erbrach sich. Er kotzte schmerzhaft und geräuschvoll, in elender Demütigung.
Er fühlte sich immer noch hundeelend, aber schließlich
drehte er sich doch beschämt nach Janette um. Sie stand außerhalb des kreisförmigen Gestrüpps. Ihr Kleid war zu-geknöpft.
«Entschuldigung», sagte Grant, «wir gehen besser zu‐
rück.»
Janette schwieg, und sie gingen auf die Straße; das
Mondlicht war nun grell und spröde.
Grant überließ sich seinem Rausch; er versank darin,
wie man in den Schlaf sinkt, um dem Denken ein Ende zu bereiten.
Vom Rest der Nacht blieben ihm nur Bruchstücke, an
die er sich erinnerte:
Janette, die seine Jacke abwischte, bevor sie das Haus
erreichten.
Die singenden Männer drinnen; als er hereinkam, sahen
sie ihn an, und jemand lachte.
Janette, irgendwo verschwunden zwischen dem Gar‐
tentor und dem Wohnzimmer mit den singenden Män‐
nern.
Ein weiterer Mann in der Runde.
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