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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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Idee.
    «Bedien dich», sagte Tydon und deutete auf einen Tel‐
    ler, den er mit einem Brei aus Fleisch und Gemüse beladen hatte.
    «Vielen Dank, aber mir ist nicht sonderlich nach essen
    zumute.»
    «Kann ich mir denken, aber es ist trotzdem besser,
    wenn du ißt. Na, komm schon!»
    Dagegen konnte Grant nichts einwenden. Er zog die
    Kiste zum Tisch und fing an, mit dem Löffel zu essen, den Tydon ihm reichte. Es half tatsächlich, er fühlte sich besser.
    Er schlang alles in sich hinein.
    Dann kehrte die Erinnerung zurück − wo waren seine
    Koffer? Er hatte sie im Hotel gelassen. In welchem Hotel?
    Gütiger Gott! Es gab keine Chance, sie jemals wiederzu‐
    finden. Grant spürte Tränen in seine Augen steigen und
    kämpfte sie zurück. Er hatte sein Geld verloren, seine
    Ehre, seine moralischen Grundsätze und jetzt auch seine
    Koffer − und das schien der schmerzlichste Verlust zu sein.
    Aber verdammt noch mal! Er konnte doch nicht zu‐
    sammenbrechen und hier vor Tydon flennen.
    «Muß eine ganz schön verrückte Party gewesen sein ge‐
    stern nacht», sagte er.
    «Bei Hynes ist das jedes Wochenende so.»
    «Wann haben wir aufgehört?»
    «In der Morgendämmerung.»
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    «Und wie spät ist es jetzt?» Seine eigene Uhr war ste-hengeblieben.
    «Ungefähr vier.»
    «Mist!» Grant gab sich alle Mühe, energisch auf‐
    zustehen. «Danke für die Gastfreundschaft. Aber ich
    mach besser, daß ich weiterkomme.» Das hatte er doch
    kürzlich schon einmal irgendwo gesagt? Natürlich, bei
    Hynes.
    «Du hast doch gar nichts, wo du hinkannst. Also kannst du genausogut hierbleiben.»
    «Aber doch nicht ewig.» Er hatte das Gefühl, sich
    erklären zu müssen. «Hören Sie, ich bin der Lehrer von Tiboonda, und ich hab mein ...»
    «Ja, ja, ich hab den ganzen Scheiß gestern abend schon gehört. Ich glaub kein Wort davon.»
    «Nein?»
    «Nein.» Tydon gab sich keine Mühe, seine Verachtung
    zu verbergen.
    «Und warum nicht?»
    «Ich hab dich Freitagabend beim Spiel gesehen.»
    «Ach ...»
    «Warum hast du gelogen?»
    «Na ja, ich bin mir wie ein ganz schöner Narr vorge‐
    kommen ...»
    «Beim Spielen haben sich schon andere Männer als du
    zum Narren gemacht.»
    Jetzt konnte Grant Tydon zum ersten Mal klar hören
    und sehen. Er gefiel ihm nicht besonders. Er hatte ausgesprochen schlechte Zähne.
    «Ganz bestimmt. Jedenfalls kann ich nicht ewig in
    Ihrer ... Hütte bleiben, nicht?»

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    «Ist nicht meine Hütte. Gehört zu den Minen. Ich wohn
    bloß seit fünf Jahren hier.»
    «Trotzdem ...»
    «Du kannst genausogut hierbleiben, statt einem Kerl
    wie Tim Hynes auf der Tasche zu liegen.»
    Dagegen gab es nicht viel zu sagen. Grant blieb sitzen und blickte aus dem kleinen Küchenfenster. Die Prärie löste
    sich in einem tanzenden Hitzeschleier auf, und er wandte schnell den Kopf ab.
    Da er glaubte, sich mit Tydon unterhalten zu müssen,
    sagte er:
    «Sie wohnen seit fünf Jahren hier?»
    Tydon reagierte, als hätte er die Frage erwartet.
    «Falls es deine Neugier befriedigt», antwortete er, ob‐
    wohl Grant sich nicht bewußt war, besonders neugierig gewesen zu sein, «ich bin Arzt und Alkoholiker.»
    Das war Grant egal, und er verstand nicht, was diese
    Aussage damit zu tun haben sollte, daß Tydon schon fünf Jahre in dieser Hütte lebte, aber der fuhr unbeirrt fort:
    «Ich bin vor sieben Jahren nach Bundanyabba gekom‐
    men, weil es wahrscheinlich der einzige Ort in Australien ist, an dem ich praktizieren kann, ohne daß die Tatsache, daß ich Alkoholiker bin, die Leute davon abhält, zu mir zu kommen. Nach genau einem Monat hab ich entdeckt, daß
    ich trinken konnte, soviel ich wollte, ohne etwas zu arbeiten, vorausgesetzt, ich blieb das, was die Einheimischen ein
    ‹Original› nennen.»
    «Hmm», sagte Grant und hoffte, der Monolog sei zu
    Ende. War er aber nicht.
    «Ich bin ein Original geblieben. Ich leb in dieser Hütte.
    Ich krieg alle Mahlzeiten gratis von meinen zahlreichen
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    Freunden, die mich gleichzeitig mit Bier versorgen, was
    der einzige Alkohol ist, den ich mir erlaube.»
    Das Ganze war wahrscheinlich eine Lüge, auch der Teil,
    daß er Arzt war, dachte Grant, aber was zur Hölle machte das schon? Wer war er, sich wegen Menschen den Kopf zu zerbrechen, die nicht die Wahrheit sagten? Aber Tydon gefiel ihm trotzdem nicht.
    Tydon trank wieder von dem abgestandenen Bier, und
    Grant hatte mit einemmal den Verdacht, daß es schal war, weil es die Überreste der offenen Flaschen von letzter
    Nacht

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