In Gedanken bei dir (German Edition)
Wanderung zum See.
Alex
feixte. »Sorry, mit einem Burger kann ich leider nicht dienen. Aber nachher,
wenn wir im Visitor Center essen gehen, kriegst du einen, schön groß, mit allem
Drum und Dran, versprochen.« Er schwang ein Bein samt tropfender Flosse an ihr
vorbei, hockte sich rittlings auf den Stamm, öffnete die Evian-Flasche für
Cassie und stellte sie vor sich auf das gesplitterte Holz. Cassie gab ihm die
aufgerissene Tüte, und er schüttete sich schwungvoll eine Handvoll Nüsse und
Rosinen in den Mund.
Auf
die bescheuerte Idee, die Regenbogenforellen mit Rosinen anzulocken, konnte nur
Alex kommen. Innerhalb von wenigen Minuten waren sie von hunderten Fischen
umgeben, die neugierig um sie herum flitzten und nach den winzigen, auf den
Wellen treibenden Cashewsplittern schnappten.
Im
Sonnenlicht sah das Gewimmel der tauchenden und springenden Forellen zwischen
den silbrig schimmernden Wellen aus wie ein ... Wie würde Jolie sagen? ... wie
ein verknoteter Regenbogen.
»Echt
toll.«
Die
Sonne stand hinter ihm, sodass Cassie sein Gesicht nicht erkennen konnte. Aber
sie glaubte, er beobachtete nicht die Forellen, sondern sie. »Stimmt,
wirklich.«
Cassie
lehnte sich zur Seite, und plötzlich hatte sie seinen vertrauten Geschmack auf
der Zunge, vermischt mit dem süßlichen Wasser des Spirit Lake.
Seine
Finger glitten über die Neoprenschicht in ihrem Nacken, und als Cassie die
Augen schloss, dachte sie: Hey, was sind schon sechs Jahre!
Ihre
Lippen berührten sich, und als sie sich bewusst wurde, dass sie sich
tatsächlich küssten, schubste Alex sie schon lachend vom Stamm.
Prustend
tauchte sie inmitten der Regenbogenforellen wieder auf. »Du Mistkerl!«, drohte
sie ihm zum Spaß. »Ich lass mich von dir scheiden!«
»Okay«,
grinste er frech. »Die Papiere sind vorbereitet: Du musst nur noch
unterschreiben!«
Plötzlich
wieder ernst, murmelte sie leise: »Ich weiß.«
Alex
reichte ihr seine Hand, um sie wieder auf den Stamm zu hieven. Aber von wegen!
Mit einem kräftigen Ruck riss Cassie ihn ins Wasser. Lachend kam er zwischen
den treibenden Nüssen und Rosinen wieder hoch, warf die leere Trail-Mix-Tüte
auf den Stamm und schob sich das Mundstück zwischen die Zähne.
In
diesem Augenblick begriff sie: Gelassenheit und Lebensfreude kann mir niemand
schenken. Ich muss sie selbst erschaffen, jeden Tag aufs Neue, wie die
Hoffnung.
Und
noch etwas wurde ihr bewusst. Alex und sie – so unbefangen waren sie gewesen,
bevor sie ihre Jobs ernster genommen hatten als ihr gemeinsames Leben und ihr
Glück. Er hatte sich nicht verändert, kein bisschen – abgesehen davon, dass er
jetzt eine andere liebte und dass er jetzt Kinder hatte, die er liebhatte. Und
sie? Sie hatte jetzt auch ein Kind ... eine kleine Tochter, die in San
Francisco sehnsüchtig auf sie wartete und der nicht mehr viel Zeit blieb ...
Sie
musste es ihm sagen!
»Alex,
ich will dir ...«
»Hey!
Bist du so weit? Nun komm schon!« Er setzte sich die Tauchbrille auf und gab
ihr das Zeichen zum Tauchen: Daumen nach unten. Und weg war er.
Cassie
biss auf das Mundstück, zog die Tauchbrille herunter und stieß sich vom
Baumstamm ab. Mit kräftigen Flossenschlägen folgte sie Alex in die Tiefe.
Es
herrschte so gut wie kein Wellengang, die Stämme trieben fast unmerklich von
einer Seite des Sees zur anderen, und das Wasser war kristallklar – anders als
am Grund der San Francisco Bay. Während Cassie eine Weile dahinschwamm, dachte
sie an das Wrack, das Nick und sie mit ihren Archäologenteams erforschen
mussten, bevor es von Hobbytauchern und Antiquitätenhändlern geplündert werden
konnte. Sie dachte an den Zeitdruck, unter dem sie standen, und sie genoss in
vollen Zügen ihre Freiheit, mit Alex hier im Spirit Lake zu tauchen, einfach
so.
Dort
vorn war er, mit gesenktem Kopf, als suchte er den Boden ab! Er tauchte
zwischen den schwebenden Baumstämmen hindurch, dann war er verschwunden.
In
dieser Tiefe war es am späten Nachmittag schon dunkel, also schaltete Cassie
ihre Lampe ein und folgte ihm.
Wohin
war er plötzlich verschwunden?
Cassie
blickte sich um. Aber sie konnte ihn nirgendwo entdecken.
Der
Lichtschein ihrer Lampe tastete über den Boden, während sie dem Gewirr der
ineinander verkeilten Stämme des versunkenen Waldes auswich.
Da,
Luftblasen! Schillernd stiegen sie hinauf zur Oberfläche.
Alex
hatte sich wohl versteckt!, dachte sie und erinnerte sich mit einem verträumten
Lächeln an den letzten Urlaub auf Hawaii, wo sie
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