In Gedanken bei dir (German Edition)
Bryce
Canyon, dazwischen glitzerten kleine türkisblaue Seen, umgeben von einem wogenden
Meer von tiefblauen Prärie-Lupinen. »Wie schön es hier ist!«
Gerührt
streichelte Alex ihre Hand, und sie sah Jolie in seinen Augen, seinem Lächeln,
seiner angespannt vorgebeugten Haltung, und in der Wärme seiner Hand spürte sie
ihre Kleine.
Wie
wird Alex reagieren, wenn ich es ihm sage?, fragte sie sich. Wenn er erkennt,
dass wir ein Kind haben, eine Freude, die uns trotz Trennung und Scheidung für
immer verbinden wird. Und wenn er begreift, dass dieses Kind bald sterben wird
und dass der Schmerz und die Trauer, die wir gemeinsam erleben werden, uns für
immer vereinen wird, untrennbar, so lange wir leben.
Ihre
Augen brannten, und sie musste blinzeln. Alex beobachtete sie, drückte ihre
Hand, strich über den Ring an ihrem Finger, sagte aber nichts.
Mit
der Stirn lehnte Cassie sich gegen das Seitenfenster und schaute hinunter auf
die weite Bimssteinebene, die aussah, als wäre sie zäh und träge aus dem
Vulkankrater herausgeflossen. In der Scheibe spiegelte sich Alex’ Gesicht. Er
sah immer noch sie an, nicht den Vulkan hinter ihr, und er merkte nicht, dass
sie das spürte.
Jetzt
lag der Krater offen vor ihnen, so nah, dass Cassie den Loowit-Wasserfall
erkennen konnte, über den das Schmelzwasser des Gletschers im Krater in die
Tiefe stürzte. Gareth wandte sich zu ihnen um und deutete nach vorn auf den
Krater. »Alex, siehst du die Rauchsäule?«
Alex
lehnte sich gegen sie, um besser sehen zu können. Über dem Lavadome im Krater
stieg eine weiße Rauchsäule auf, die im Morgenlicht rosa- und fliederfarben
leuchtete. »Yup.«
Gareth
drehte leicht den Kopf, hielt aber den Blick nach vorn auf den Mount St Helens
gerichtet. »Was meinst du, bricht er wieder aus?«
Alex
lachte. »Heute nicht.«
Gareth
schnaubte. »Bist du sicher?«
Vor
ihnen tauchte der Spirit Lake auf, und der mit Baumstämmen übersäte Lehmstrand,
von wo aus sie gestern getaucht hatten. Die treibenden Stämme hatte der Wind in
eine Bucht geschoben, und es sah aus, als hätte Jolie alle Streichhölzer, die
sie auf dem Hausboot finden konnte, in die Badewanne gekippt und versucht, sie
bis unter den Wasserhahn zu pusten.
Der
kahle Höhenzug von Windy Ridge spiegelte sich im See. Dahinter ragte weiß und
mächtig der Mount Rainier auf, den man an klaren Tagen sogar von Seattle aus
sehen konnte. Ein Weißkopfseeadler zog seine Kreise über dem Spirit Lake.
Im
Tiefflug preschte Gareth mit einem ausgelassenen »Yahoohoo!« über den See und
den Teppich aus Treibholz hinweg, dann zog er den Helikopter an einer kahlen,
steilen Felsklippe hoch und setzte über die geborstenen und gesplitterten
Baumstümpfe auf dem Gipfel hinweg, stehende Mahnmale an den Ausbruch.
Umgestürzte
silberne Stämme, zarte grüne Bäume und ein Meer von Blüten raste unter ihnen
vorbei. Und da ... hey, war das eben ein Luchs?
Erst
als Gareth in geringer Höhe über den letzten Höhenzug hopste, sah Cassie ihn
unter sich liegen: Da war der Meta Lake, ein saphirblau glitzerndes Juwel in
einer stillen, grünen Talsenke. An seinen felsigen Hängen standen
jahrhundertealte silbrig verbrannte Stämme, dazwischen wucherte frisches junges
Grün. Ein schmaler Weg führte zu einem Parkplatz an einem Highway, der Straße
zum Windy Ridge Viewpoint.
Gareth
wandte sich zu Alex um. »Was ist, soll ich euch am Miner’s Car rauswerfen?«
»Gute
Idee.«
»Okie
dokie.« Gareth folgte dem Highway, dann schwebte er schwungvoll über einem
kleinen Parkplatz ein und landete neben dem Hinweisschild: MINER’S CAR.
National Volcanic Monument. VIEWPOINT.
Cassie
schnappte sich ihren Rucksack, sprang hinunter auf den Parkplatz und schob die
Luke wieder zu. Von der anderen Seite kam Alex in geduckter Haltung zu ihr
herüber, dann beobachteten sie, wie der Hubschrauber abhob und hinter dem
Höhenzug verschwand. Nach wenigen Sekunden verklang das laute Knattern der
Rotoren, und es wurde still um sie herum.
Nein,
nicht ganz. Ein feines Sirren lag in der Luft. Was war das? Cassie lauschte.
Kein Gezwitscher von Vögeln. Kein Rauschen eines fernen Wasserlaufs. Kein Wind
in den Zweigen der Tannen. Dann sah sie es: Eine ganze Horde von Radfahrern in
bunten Rennklamotten mit Startnummern auf den Shirts flitzte tief über die
Lenker gebeugt den Highway herunter. Ein Radrennen, hier! Ist ja irre!
Alex
nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her. »Komm, Cassie, ich will dir
Weitere Kostenlose Bücher