wie immer wild und ungestüm, eine
Zoo Rallye mit ihr veranstalten und preschte mit ihr los. Auf zu den Hippos und
den Robben! Und da, guck mal, die drolligen Pinguine! Jolie kreischte vor
Vergnügen, als Jordan mit ihr den Outback Trail entlangraste, bei den Flamingos
stolpernd und schlingernd abbog und die Richtung zur afrikanischen Savanne
einschlug. Ja klar, Nick und Alex nichts wie hinterher! Wenn der Buggy
umkippte, wenn Jolie sich verletzte, wenn die Wunde sich infizierte ... wenn
... wenn. Während Nick und Alex an den Tiergehegen entlangrannten, hatten
Cassie und Marlee, die bei den Bären zurückgeblieben waren, viel Zeit für eine
ernsthafte Unterhaltung.
Das
Wort »Trennung« steht noch nicht zwischen uns, dachte Alex. Aber wir beide
wissen, dass ich jetzt für mein Kind und meine Frau da sein muss. Und das will
ich, mehr als alles andere auf der Welt. Nein, Marlee und ich haben uns nicht
getrennt, na ja, jedenfalls nicht so, wie man sich eine Trennung vorstellt: ein
langes Gespräch mit einfühlsamen Worten und aufgewühlten Gefühlen, dann ein
Auseinandergehen unter Tränen, ein verzweifeltes »Leb wohl«. Nein, Marlee hat
nicht mit mir geredet, weil sie mich nicht belasten will, sondern mit Cassie,
offen und ehrlich. Keine Ahnung, worüber die beiden Frauen gesprochen haben
oder wie das Gespräch bei Cappuccino und Latte macchiato im Café am Bärengehege
gelaufen ist. Ich weiß nur, dass Marlee gesagt hat, Cassie bräuchte mich jetzt
mehr als sie: »Du kannst ihn zurückhaben, Cassie. Alex gehört zu dir. Ich werde
nicht um ihn kämpfen, denn ich weiß, dass ich diesen Kampf verlieren werde.
Gegen dich kann ich nicht bestehen.«
Nein,
eine Trennung ist das nicht. Eher ein Verzicht aus Einsicht, aus Mitgefühl und
aus Liebe.
Am
Abend nach dem aufregenden Zoobesuch feierten sie noch eine wilde Kinderparty
bei McDonalds, mit bunten Luftballons, lustigen Spielen und lautem
Kinderkreischen. Die Risiken und Nebenwirkungen dieses anstrengenden Tages
hatten sich gelohnt, denn Jolies Blutbild hatte sich vor unbändiger
Lebensfreude bis zum Beginn der Konditionierungstherapien stabilisiert.
Nach
den Torturen, die ihr Knochenmark abtöten sollten, damit Alex’ Zellen in ihr
wachsen konnten, kam der ersehnte Tag der Transplantation, den er immer als
Jolies zweiten Geburtstag in jedem Jahr im Gedächtnis behalten wollte. Es war
der Tag, an dem ihr Leben noch einmal begann. Version 2.0, Upgrade mit Daddy.
Alex
beugte sich über Jolie und gab ihr durch den Mundschutz einen Nasenstüber. Ihre
Lider flatterten, und sie tastete nach dem Ärmel seines Schutzanzugs, aber sie
wachte nicht auf. Alex nahm das Tablet, das zwischen ihnen lag, schob den
eingeschweißten Expeditionsproviant zur Seite und rutschte ganz nah an sie
heran. Dann klickte er seinen Mail Account auf und schrieb an Marlee.
Von: Alex
[email protected] An: Marlee
[email protected] 22.09.2012 / 23:48
Betreff:
Wie es mir geht
Hi, Marlee. Danke für
Deine Mail vorhin. Du fragst, wie ich mich drei Tage nach der Transplantation
fühle?
Es ist schwierig,
darauf zu antworten. Denn ich empfinde mich im Augenblick nicht als ein »Ich«,
sondern als ein »Wir«. Meine Bindung zu Jolie ist sehr stark, und sie scheint
unzertrennbar zu sein. Ich spüre ihre aufrichtige und bedingungslose Liebe, und
dieses Gefühl in meinem Herzen ist stärker als alles, was ich bisher in meinem
Leben empfunden habe. Wie soll ich das beschreiben?
Jolie ist ein Teil
von mir, denn sie ist mein Kind. Und ich bin jetzt ein Teil von ihr, denn mein
Blut fließt in ihren Adern, und es soll sie gesund machen. Dieses Gefühl, ihr
einen Teil meines Selbst geschenkt zu haben, ist berauschend und stark. Ich
kann mir kein schöneres Geschenk für sie vorstellen als dieses.
Cassie empfindet ganz
ähnlich – auch sie wäre bereit gewesen, Jolie zu geben, was sie jetzt braucht,
sogar eines ihrer Organe. Alles, was Cassie und ich in unserem Leben sonst noch
getan haben, scheint plötzlich bedeutungslos zu sein. Abgesehen davon, dass wir
uns immer noch lieben und dass ich sie heute gefragt habe, ob wir wieder ein
Paar sein wollen. Wir haben ein Kind, um das wir uns sorgen. Wir sprechen über
unsere tiefsten Gefühle, unsere Hoffnungen und Ängste. Wenn die Transplantation
scheitert ... nein, Marlee, ich kann diesen furchtbaren Gedanken nicht zu Ende
denken.
Wie es mir geht,
willst Du wissen?
Jolie lebt.
Das sagt alles, was
ich jetzt empfinde.
Alles andere, Jolies
unbeschwertes