In glücklichen Umständen
wenn sie nicht bald wieder am Ofen sitzt.»
«Ich setze Pearl wieder in den Schrank, ja? Und gebe ihr etwas Milch. Ich denke, sie hat auch ein Ingwerplätzchen verdient. Übrigens, dies Papier aus deinen neuen Stiefeln sieht nicht wie Zeitungen aus.» Emily reichte mir einige zusammengeknüllte Zehnpfundnoten von vor dem Krieg. Sie muß acht oder zehn Stück davon in der Hand gehabt haben. Ich starrte sie an, die Geldscheine und Emily. «Es ist Geld», sagte ich.
«Geld?»
«Echtes Geld, womit man früher mal eine Menge kaufen konnte. Mein Gott! Wo hab ich bloß die anderen hingeworfen, die aus dem zweiten Stiefel?» Ich rannte zum Mülleimer unter dem Spülbecken, trat heftig aufs Pedal und wühlte zwischen leeren Büchsen und Apfelsinen-, Bananen- und Kartoffelschalen und holte noch ein halbes Dutzend heraus.
«Tu sie alle in eine Tüte», sagte ich hektisch, zog die Stulpenstiefel an und langte nach meinem Mantel. «Ich muß raus. Mach die Tür zu, damit Pearl nicht weg kann.» Dann lief ich hinaus in den Schnee und schrie mir die Kehle wund. «Sie ist da!» und «Wir haben sie!» und so weiter, genau in Buns Ohr. Wie ich sah, hatte sie zwischen Hausmauer und Veranda ein sehr geschütztes Plätzchen erwischt. Sie kam herein, und beim Anblick ihrer Nase mußte ich an «Toast mit Honig» denken, eine Redewendung, mit der meine Großtante ihren Mann beim Tee auf gewisse Bedürfnisse hinzuweisen pflegte. Ich hatte mich immer gewundert, warum sie uns nie welchen angeboten hatte.
Wen war nirgendwo zu sehen, obgleich es jetzt nicht mehr so dicht schneite und ich alles ringsum gut erkennen konnte. Jedesmal, wenn ich den Mund aufmachte, um zu rufen, füllte er sich mit schmelzenden Flocken, doch ich hörte immerhin, wie Ben von der Garage her rief: «Ich komme!»
Er folgte mir in die Küche, wo Bun es sich bereits gemütlich machte und anfing, Fragen zu stellen. Ich holte eine Flasche Ingwerwein aus dem Schrank. Es war Zeit, zu feiern und sich ein wenig aufzuwärmen. Der Wein war ein Weihnachtsgeschenk von Ireen und eine willkommene Abwechslung von ihrem Sonnenblumenlikör und Birnenwein, die zu probieren sich bisher noch niemand erboten hatte. Wir standen mit unseren Gläsern da und redeten über Pearl und das Geld aus den Trödelstiefeln, das Ben gerade auf den Tisch zählte. Es waren 70 Pfund aus dem linken und 80 aus dem rechten. Irgendwann in vergangenen Zeiten hatte es jemand dort versteckt. Die Stiefel mußten jahrzehntelang in einem Schuppen herumgestanden haben. Ich hatte einmal 37 Pence in der Tasche einer Reitjacke gefunden und wiederholt Liebesbriefe entdeckt, es aber nie über mich gebracht, nach den ersten zärtlichen Worten weiterzulesen. Und noch andere Dinge. Einen alten Fotoapparat für 10 Pence, in dem noch ein halb geknipster Film steckte. Ich ließ ihn entwickeln, und die Fotos zeigten alle einen jungen Mann mit schüchternem Blick, der sich in mehr als einer Hinsicht exponierte. Ich fand den Füllhalter des Vikars, ein Geschenk von einigen Pfarrkindern, in einer Wildlederhandtasche. Der Füllhalter hatte die Inschrift «Gott sei mit dir», aber Gott schien mit der Falschen gewesen zu sein, denn in der Tasche war das Namensetikett von Mabel Massingbird, zusammen mit Miss Priddles Uhranhänger und Mrs. Netherlegs Opalring. Mabel Massingbird war die Frau des Erzdiakons, und er bezeichnete sie liebevoll als eine «große kleine Sammlerin», obgleich ich bezweifle, daß er sich bewußt war, auf welch fragwürdige Weise sie ihre Kollektion zusammengebracht hatte. Ich schickte die Sachen anonym ihren rechtmäßigen Eigentümern zurück und war erleichtert, als der Erzdiakon vorzeitig in den Ruhestand ging und mit Mabel nach Rom zog, wo sie wahrscheinlich den Vatikan unsicher machte.
«Ich muß wohl den Besitzer der Stiefel ausfindig machen», sagte ich seufzend. Die Banknoten waren hübsch anzusehen, eine Erinnerung an die Zeit, in der man noch Achtung vor Geld hatte, weil man es wirklich verdiente. Wir tranken unseren Ingwerwein und diskutierten über die Herkunft des Geldes. Emily meinte, es müsse einer schrecklich alten Frau gehört haben, die die Stiefel ihres Geliebten all die Jahre aufbewahrt habe, ohne zu ahnen, daß seine lebenslangen Ersparnisse bei den Zehen verborgen waren. Ben bemerkte nüchtern: «Aber wenn er sie wegen einer anderen sitzengelassen hat, was hat er dann bloß angezogen? Pantoffeln?» Emily dachte, er sei vielleicht unerwartet gestorben. Ben meinte, es sei
Weitere Kostenlose Bücher