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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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gefror ich. Es war nicht der eisige Wind, der peitschende Schnee oder die kalte Luft. Es war Ross.
    Wir starrten uns an wie Gog und Magog, während der Welpe wegen der Beschleunigung meines Herzschlags zu strampeln begann. Als Ross zum erstenmal gekommen war, vor zwei Sommern, war ich allein gewesen, hatte aber sechs Becher mit Kaffee auf dem Küchentisch aufgereiht, um den Eindruck zu erwecken, ich hätte das Haus voller Gäste. Ich hatte mich sogar mit einem Tennisschläger bewaffnet. Jetzt war ich völlig unvorbereitet und verwundbar wie eine Maus bei einer Katzenausstellung.
    Ausgerechnet jetzt, in diesem Augenblick, von dem ich regelmäßig geträumt hatte, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, war alles eine Katastrophe - mein Gesicht, meine Haare, mein Pulli, die Jeans, das Wetter, die Zeit, der Ort und der Welpe, der in meinem BH schuftete wie ein Fitneßsüchtiger auf einem Trampolin. Das schlimmste waren vielleicht die mangelnden Augenbrauen. Ich habe grauenhafte Augenbrauen, sehr hell, sehr dünn, viel zu niedrig. Wenn ich sie nicht mit einem Stift korrigiere, sehe ich fade und leer aus wie ein Kasten ohne Deckel. Ich brauche die paar Striche auf meinem Gesicht, um zu zeigen, daß ich am Leben bin.
    Ich legte automatisch eine Hand an die Stirn, während die andere auf dem Welpen ruhte. Ross kam herein und trat an mir vorbei. Ich machte die Tür mit einem Fußtritt zu.
    «Du meine Güte», sagte ich. «Ich hatte keine Ahnung...»
    «Ich auch nicht. Störe ich? Hast du Kopfschmerzen? Du bist doch nicht krank?» Ich muß ohne Make-up totenbleich ausgesehen haben, wie jemand mit Migräne und Angina pectoris gleichzeitig, mit meinen Händen an wichtigen strategischen Stellen. Der umhüllte Kopf konnte hohes Fieber bedeuten, aber die fahlen Wangen verwarfen eine so simple Lösung. Ich verfiel sofort ins andere Extrem.
    «Nein, nein, nein. Nicht krank!» Vielleicht übergeschnappt, sogar betrunken, aber nicht krank! «Nein, mir geht es gut. Fabelhaft. Spitze. Super. Könnte nicht besser sein.» Hör auf, halt den Mund, stell um Gottes willen die Platte ab, sagte ich mir. Relax, sei gelöst, zeig, daß du über Augenbrauen und alles andere erhaben bist. «Wie schön, dich zu sehen.» Und das klang, als würde es noch schöner sein, wenn er wieder ginge.
    «Eigentlich wollte ich irgendwo anhalten und dir Bescheid sagen», sagte er, sich so umdrehend, daß er genau vor mir stand. Ich dankte meinem Schöpfer für Fünfundzwanzig-Watt-Glühbirnen in weit entfernten Ecken. «Ich war auf der Schnellstraße und wollte zum Flughafen, und da stellte ich fest, daß ich fast in Sichtweite von dir war, und da konnte ich nicht widerstehen. Wie auch?» Wenn er mich von der Schnellstraße aus gesehen hätte, wäre er glatt weitergefahren bis auf die andere Seite des Ärmelkanals.
    Auf der Diele war es kalt wie in einer Tiefkühltruhe. In Ordnung für Vikare, jedoch nicht gerade förderlich für ein Rendezvous. Aber ohne Augenbrauen war mir sowieso nach allem anderen als Romantik. Ich ging voran ins Büro, wo ein kleines und recht wirkungsloses Feuer für den Abend brannte, wenn die Kinder und ich als Tribut ans Fernsehen und an ein komfortableres Leben die Küche verlassen und uns an den Kamin setzen würden. Ich stolperte durch den dunklen Raum zur kleinen Lampe auf meinem Sekretär, da ich auf keinen Fall die Deckenlampe anknipsen und mich im gnadenlosen Schein ihrer Hundertfünfzig-Watt-Birne präsentieren wollte.
    Lulu war aus ihrem Korb gekrochen und lag vor dem Sofa. Ich stolperte im schwachen Schein der Flammen über sie. Sie heulte wie ein Gespenst und sauste gegen den Kaminschirm, der prompt hinfiel und einen Aschenregen hochwirbelte.
    «Alles okay?» fragte Ross und blieb in der Nähe der Tür, um notfalls schnell flüchten zu können.
    «Gut, sehr gut», wiederholte ich, obgleich mich alles Lügen strafte. Ich knipste die kleine Lampe an und drehte mich um. Der Welpe gähnte und reckte sich, und mein Busen wogte. Ich konnte nur hoffen, daß Ross glauben würde, es sei vor innerer Bewegung und ohne irgendeine Fremdeinwirkung. Ich kam zu dem Schluß, daß ich, falls ich ihn dazu brachte, einer Tasse Kaffee zuzustimmen, meine Last loswerden, meine Augenbrauen nachziehen, mein Haar bürsten, meinen Lippenstift finden und mit einem unbeschwerten Lachen zurückkommen könnte, um alles wieder wettzumachen. «Warum trinken wir nicht...» Aber er fiel mir ins Wort: «Hör zu, ich glaube, ich komme wirklich absolut

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