In glücklichen Umständen
ungelegen. Soll ich lieber wieder gehen? Ich hätte dich anrufen sollen, aber wenn es um dich geht, kann ich furchtbar impulsiv sein...» Aber das, fand ich, klang recht schwach für jemanden, der es fertigbringt, gerade einmal im Jahr hereinzugucken, wenn er ohnehin auf dem Weg zum Flughafen ist.
Ich versuchte, zur Tür zu gehen, aber er trat mir in den Weg und stieß im Halbdunkel mit einem Knie an einen Tisch, so daß eine Schachtel Pralinen hinunterfiel. Er bückte sich, und Lulu kam von ihrem Platz hinter dem Schreibtisch hervorgesaust und schnappte nach seinem Finger, den sie fälschlicherweise für ein Trüffelkonfekt hielt. Ross richtete sich mit einem unterdrückten Schmerzenslaut auf und trat zu der Seite, wo der Kaminvorsetzer war. Ich nahm meine Chance wahr und huschte wie eine verängstigte Jungfrau hinter das Sofa. In dem vergeblichen Bemühen, die Peinlichkeit des Augenblicks zu überspielen, fuhren wir jedoch fort, Belanglosigkeiten auszutauschen.
«Ich hatte eine Verabredung», sagte er, als er seine Beine nach zwei Stück Kuchen vertrat und Lulus Fuß um Haaresbreite verfehlte, «aber weil schlechtes Wetter angesagt war, fuhr ich sehr früh los, so daß ich jetzt immer noch mehr als genug Zeit habe.» Er ging am Teppichrand entlang und folgte vorsichtig den Umrissen der Möbel, um weitere Unfälle zu vermeiden. «Bleib bitte!» rief er, als ich meine nächste Chance wahrnahm und auf die Tür zuging.
«Du brauchst etwas Warmes zu trinken», beharrte ich nahezu hysterisch und dachte an die Rettung in meiner Handtasche. «Es ist so kalt!» Die plötzlichen Bewegungen hatten ein kleines Scheit veranlaßt, hell aufzulodern, und das neue Licht genügte beinahe, um alles zu offenbaren, Pickel, zu dünne Brauen und so fort.
«Nein, nein», protestierte er. Womöglich rechnete er mit Strychnin. Wenn uns jemand zugesehen hätte, wäre er durch das Melodrama zu Tränen gerührt worden. Meine Hand lag auf dem Türgriff, aber die andere ruhte auf meinem Herzen wie die von Nelly Melba vor einer großen Schmerzensarie, nur daß sie dabei sicher nie mit einem Welpen zu tun hatte, der krampfhaft versuchte, sich ihrem Busen zu entreißen.
Widerstrebend ging ich zurück und setzte mich auf die Armlehne des Sofas, wo der Feuerschein meinen Kopf nicht erreichte, obgleich ich dafür das Gefühl hatte, mit den Füßen in einem Meer von Pralinen zu versinken. Ich registrierte, daß sich der elegante Ross seit unserer letzten Begegnung einen kleinen Bart hatte stehen lassen, golden mit ein paar dunklen Strähnen wie sein dichtes Lockenhaar. Er war groß und breit und sonnengebräunt und sah mehr denn je aus wie ein Freibeuter der spanischen Armada. Männer brauchen natürlich keinen Gedanken an Augenbrauen zu verschwenden. Vielleicht erklärt das, warum sie so lange die Herren der Schöpfung waren.
«Komm her», sagte er leise und versuchte, mich hochzuziehen, damit ich genau vor ihm stand. Der Welpe quiekte und änderte schnell die Stellung; auf einer Seite fühlte ich mich an wie ein Nest von Feldmäusen, während auf der anderen Ruhe war.
«Einen Drink», rief ich. «Das muß gefeiert werden!» Ich bewegte mich wieder fort, diesmal zur Anrichte, wo ein paar vergessene Flaschen vom Supermarkt standen. Ross sagte nichts mehr, wahrscheinlich aus purer Verbitterung. Er ließ mich gehen und blieb, wo er war, während Lulu sich zwischen seinen Knöcheln zu schaffen machte. Die enorme Hitze oder aber der Brandy veranlaßte meinen Intimgast zu schwankenden Bewegungen, als wäre er ein Matrose auf Landurlaub, und er hickste entsprechend. Ich gab ihm einen kleinen Klaps, und er kippte zur Seite, verstummte und regte sich nicht mehr. O Gott! flehte ich, laß ihn bitte nicht da drin sterben, laß ihn bitte nicht sterben! Jedenfalls noch nicht.
Die Sherryflasche war natürlich leer. Dafür hatte Mrs. Boisover gesorgt. Der Gin reichte gerade noch, um einen Ohrwurm zu ertränken. Die leere Flasche stand da, seit wir eingezogen waren. Wir hatten die Wahl zwischen diversen Miniaturflaschen, die vom Weihnachtsbaum übriggeblieben waren, und einer halben Flasche Wodka. «Wodka!» rief ich triumphierend und kippte ihn hemmungslos in Sektgläser, die wahrscheinlich als einzige nicht benutzt waren. «Hier, auf unser Wohl...» und Bonzo, das BH-Baby, fügte ich leise hinzu. Mir war plötzlich eingefallen, daß er inzwischen vielleicht erstickt war, obgleich der Klaps von eben keinen Schaden angerichtet haben konnte.
Ross nahm das Glas
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