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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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etwas Besseres, als auf Nimmerwiedersehen im Schrank zu verschwinden. Sogar geliebte Schals, Pelze, Gürtel, Nachthemden, Stolen und Unterwäsche lagen lässig über einem antiken Paravent und warteten darauf, das Auge der sehr wenigen zu beglücken, die den Raum betraten. Und sie beschäftigten den nächtlichen Besucher, den ich im Moment hatte, und nahmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch, während ich den Welpen wieder in die Schublade legte und Flachmann und Sardellentube mit warmem Wasser aus dem kleinen roten Campingkessel füllte, der auf dem offenen Feuer gestanden hatte. Dann setzte ich mich auf den Bettrand und überlegte, was ich mit Ross machen sollte. Wenn es nur möglich gewesen wäre, ihn ebenfalls in die Schublade zu bugsieren, vielleicht hätte ich dann ein wenig Schlaf bekommen. «Würdest du gern dort beim Kamin bleiben?» schlug ich endlich vor. Ich gab es auf, mich zu fragen, ob es klug, moralisch, gastfreundlich, albern oder einfach am bequemsten sei. Entgegen der neuerdings herrschenden Meinung verlangt der Körper in erster Linie Essen und Schlaf, und alles andere, auch sexuelle Erfüllung, kommt erst ganz unten auf der Liste, wie der elektrisch aufklappbare Fond-Aschenbecher in einem Bentley. In diesem Augenblick war sie das letzte, was ich brauchte.
    Ross antwortete nicht. Ich ging zu ihm und fing wieder an. «Ross», sagte ich, «wenn du willst, kannst du hier am Kamin bleiben, statt...» Aber er schlief bereits wie ein Murmeltier. Das widerlegte die Behauptung, daß er aufs Klo mußte.
    Ich legte Holz nach und ein paar Kohlen, damit das Feuer lange genug brannte, und kroch wieder unter die Daunendecke. Sobald ich mich ausgestreckt hatte, schlief ich ebenfalls wie ein Murmeltier. Zwei wunderbare Stunden bis zur nächsten Welpenfütterung. Ich träumte vom Sommer.
    Aber es war nicht der Wecker, der mich aus dem Schlaf riß. Es war Ross. Er stand am Bett, als ich die Augen aufschlug, weil sich etwas bewegt hatte, und die Hunde waren es nicht gewesen. Pearl wuselte immer noch unter den Daunen, aber daran hatte ich mich inzwischen gewöhnt, genauso wie an das Schneetreiben draußen. Es war auch keine Fortsetzung des Sommertraums, denn als ich mich aufsetzte, erinnerte mich die kalte Luft an alles, was ich lieber vergessen hätte.
    «Ist was?» fragte ich gähnend. «Dein Knie?»
    «Ich friere so», sagte er höflich, wie ein Wochenendgast, der um eine zusätzliche Wolldecke bittet, «darf ich zu dir ins Bett?» Es klang wie ein merkwürdiger Schrei, weil es zusammen mit einem Gähnen kam, das er nicht rechtzeitig unterdrücken konnte.
    Der Grund, um einen Platz an meiner Seite zu bitten, war kaum der, den ich mir gewünscht hätte, obgleich ich mir in diesem Augenblick überhaupt keinen Grund wünschte. Aber es war ein Appell an mein Mitgefühl. Ich murmelte: «Warum gehst du nicht zurück in Bens Zimmer?» Doch es klang eher provozierend. Sogar kokett. Ich fügte hinzu: «Oder machst wieder Feuer?» weil es in den letzten Zügen lag. Ich zog den gestreiften Pyjama eng um mich und überlegte krampfhaft, wie ich das, was ich dachte, sagen konnte, ohne sauer oder rüde zu klingen.
    Aber da war er schon halb unter der Decke. Ich rückte ein wenig zur Seite. Wie konnte ich ihn von mir weisen, wo er mir sein Bedürfnis nach Wärme so unmißverständlich dargelegt hatte? Mit seinem blessierten Knie, der Gänsehaut und dem plötzlichen Verlust aller Attribute männlicher Überlegenheit bot er einen mitleiderregenden Anblick. Leise kichernd sagte ich: «Du hast deine Krawatte noch um», denn er war ein Harrow-Zögling, eine Tatsache, die ihn mit großem Stolz erfüllte.
    Ross betrachtete es als Herausforderung. In Sekundenschnelle war sie abgebunden und lag zusammen mit Hemd und Hose am Boden. In diesem Augenblick hätte ich natürlich klarmachen sollen, daß es keine Aufforderung gewesen war, aber jetzt verstehe ich wenigstens, warum Eskimos einem Besucher angeblich ihre Ehefrau zur Verfügung stellen, um ihre Gastfreundschaft zu beweisen. Aus Erbarmen.
    Zum Glück oder auch nicht (eine Frage der jeweiligen Stimmung) rasselte in diesem Augenblick der Wecker los, genau in Ross’ Ohr. Er fuhr in die Höhe und sah sich beunruhigt um. Ich wich ihm vorsichtig aus, als ich um ihn herumrückte. Ich wich ihm übrigens recht oft aus. Ein wirklich erfahrener und von seiner Rolle überzeugter Casanova würde sich nicht von solchen Kleinigkeiten abschrecken lassen, und trotz meiner Erleichterung, daß er anders

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