In glücklichen Umständen
erst sehr spät angesagt war. Dann hatten sie eine Piste geräumt, schienen aber nicht zu wissen, welche Maschine das Glück haben würde, landen zu dürfen, und deshalb habe ich ein Zimmer im Hotel genommen und eine Nachricht hinterlassen. Ein oder zwei Flüge kamen an, aber um vier Uhr reichte es mir. Ich hinterließ noch ein paar Nachrichten und wollte nach Haus fahren, aber dann war auf der Schnellstraße ein Unfall, und der Stau wurde immer länger.» Ein Unfall? Hetty? Pa? Ich bat um nähere Informationen. «Zwei große Lastwagen, der eine ist ins Rutschen gekommen und umgekippt, und der andere ist drauf gefahren. Keine Verletzten, nur totales Chaos.» Ich seufzte erleichtert. «Die Straße war in beiden Richtungen blockiert, Streifenwagen, Absperrungen, Abschleppwagen und so weiter. Ich fuhr noch kurz mit 50 Metern in der Stunde weiter, und dann hab ich den Wagen ein kleines Stück vor deiner Abfahrt stehen gelassen und beschlossen, hierherzukommen und für ein paar Stunden um einen Platz auf dem Sofa zu bitten. Ich hatte keine Ahnung, wie hoch der Schnee liegt. Es hat eine Ewigkeit gedauert.»
Ich hängte seinen Mantel neben den Ofen. Mattie grummelte ein bißchen, weil es auf sie hinuntertropfte, aber ich zischte sie böse an, wenigstens einen Funken Gastfreundschaft zu zeigen. Sie schnaufte, drehte sich ein paarmal herum und trat einen kleinen trockenen Knochen in unsere Richtung.
«Könnte ich das Telefon benutzen? Nur ein paar Anrufe», bat Ross. Er ging zum Büfett und machte einen Bogen um Rosie, die nach einem Ingwerplätzchen angelte. Mit meiner eigenen Gastfreundschaft war es auch nicht weit her, aber die Hauptschuld trugen die Umstände.
«Die Leitung ist unterbrochen. Wir haben auch keinen Strom. Du hast doch nicht geglaubt, daß ich aus lauter Romantik bei Kerzenlicht dasitze, oder?»
Er machte ein entsetztes Gesicht. In Städten gibt es einen Notdienst vom Elektrizitätswerk, Ämter für Ratsuchende und kommunale Hilfe für alles mögliche. Ich fügte hinzu: «Du mußt am Verhungern sein. Möchtest du Thunfisch? Oder Pflaumen aus der Büchse? Oder ein paar Garnelen in Aspik, die vom Jubiläum übriggeblieben sind?» Dann, übereilt: «Alles, was du willst.»
«Ich möchte dich nicht berauben. Ich habe ausgezeichnet zu Mittag gegessen, und zum Glück habe ich eine Schachtel gefüllte Kekse gekauft, die ich im Auto gegessen habe.» Er hätte mir ruhig einen mitbringen können, nur einen einzigen. Plötzlich und zum erstenmal, seit wir von der Katastrophe ereilt worden waren, stiegen mir Tränen in die Augen.
«Ich bin schrecklich müde», fuhr er fort. War ich das vielleicht nicht? Und auf wen hatte er so begierig gewartet? Und für wen hatte er die Kekse gekauft? Und warum, zum Teufel, sollte ich diejenige sein, die Trost spendete? Aber ich sagte nur: «Natürlich. Du kannst Bens Zimmer haben.» Ich mußte verhindern, daß er auf dumme Gedanken kam. «Ich hab das Bett heute morgen abgezogen, aber wir haben jede Menge Wolldecken und eine Daunendecke und auch einen
Schlafsack, wenn dir das lieber ist.» Er will doch nur schlafen, sagte ich mir, und nicht bis zum Frühling bleiben.
Er sagte, das klinge sehr verlockend. Ich ging mit der Kerze voran und war zum erstenmal dankbar für den Stromausfall. Das Treppenhaus war kalt wie eine frigide Meerjungfrau. Meine Zähne klapperten im Rhythmus meines Herzschlags. Ich zeigte ihm das Badezimmer, und wir holten zusammen Wolldecken aus dem Schrank, aus dem uns zwei leuchtende Augen entgegenblickten und Ross veranlaßten, einen Schritt zurückzutreten, in gefährliche Nähe der obersten Stufe. Ich packte seinen Arm, damit er nicht in den Tod stürzte, und beruhigte ihn hastig. «Es ist bloß General Hiatus, Ems verletztes Kaninchen», sagte ich. «Bedauernswerte Geschöpfe, die sie gesund pflegen will, kommen gewöhnlich hierher in das untere Fach. Wir hatten hier schon alle möglichen Generäle - Entschuldigung!» Ich hätte ihn fast mit meinem Ellbogen k. o. geschlagen, als ich mit beiden Armen voller Bettzeug zurücktrat.
Er sagte schwach: «Kann ich irgend etwas tun?»
Vielleicht meinte er, er könne wieder normale Zustände im Haus herstellen, eine Zentralheizung installieren oder mir genug Geld geben, um diesem primitiven Dasein zu entrinnen, aber ich sagte, nein, es gäbe nichts, was er tun könne, vielen Dank, und schämte mich der Lüge kein bißchen. Ich ließ ihn mit der Kerze neben einem Stapel Wolldecken auf Bens Bett stehen und sagte
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