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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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reagierte, hätte ich ein bißchen mehr Draufgängertum durchaus begrüßt. Ich riß ein Streichholz an, um die Kerze anzumachen, achtete gleichzeitig auf seine nächste Bewegung, verfehlte den Docht und setzte die Fransen des Lampenschirms in Brand. Ich bin überzeugt, daß Ross sich einen Augenblick lang fragte, ob ich meine Ehre mit einer Brandstiftung verteidigen wolle.
    Der Lampenschirm bekräftigte diese Theorie und entflammte. Ich stieß ihn vom Nachttisch, sprang aus dem Bett und bearbeitete ihn wie wild mit dem Kopfkissen. Der Wecker rasselte weiter, und Charlie knurrte, war aber zu faul, um mir beizustehen. Tagsüber kamen mir die meisten Hunde sehr bereitwillig zu Hilfe, aber wenn sie schliefen, ließen sie sich nur ungern stören. Ich stampfte mit meinen dicken Schlafsocken (Basar zugunsten notleidender Kirchendiener) auf den letzten verglühenden Fransen herum, und es stank scheußlich nach verschmorter Kunstseide. Zwar waren meine Füße jetzt natürlich schön warm, aber ansonsten begann ich erbärmlich zu frieren. Ross klammerte sich an die Bettdecke und an sein neu erobertes Revier wie ein Hausbesetzer in der Park Lane. Ich mußte wählen zwischen moralischer Entrüstung auf dem Armstuhl oder meinem angestammten Platz im Bett und Verzicht auf alle moralischen Prinzipien. Doch was nützen die besten Prinzipien, wenn man am Erfrieren ist, sagte ich mir, ging wieder hin, zündete stumm die Kerze an, nahm den Welpen aus der Schublade und bat Ross, ihn zu halten, während ich das Futter vorbereitete.
    Es war natürlich kaum das, was er sich vorgestellt hatte, und Männer sind dafür bekannt, daß sie es nicht ausstehen können, wenn man sie daran hindert, ihre wahren oder vermeintlichen männlichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ich bin keineswegs sicher, ob er den seinen mehr vertraute, als ich annahm. Der Welpe, der inzwischen schon aus einer Babyflasche für Puppen trank, schmatzte ein wenig und machte ein Bäuerlein, und dann mußte ich ihn säubern, ehe ich ihn wieder in seine Schachtel legen konnte. Ich machte ein paar witzige Bemerkungen, aber Ross sagte kein einziges Wort. Ich glaube, mit dieser Entwicklung hatte er absolut nicht gerechnet.
    Als der Kuckuck wieder in der Schublade lag, blies ich die Kerze aus. Ich war so zerschlagen, daß mein Kopf sich anfühlte wie ein sehr alter Schulranzen. Zu meinem Ärger legte Ross seinen Arm um mich und rückte ganz nahe zu mir, als parke er zwei Autos in einer Parkbucht. Ich war viel zu müde, um Widerstand zu leisten, und da wir beide froren, schien es ganz vernünftig zu sein. Ich schlief sowieso schon halb. Ich weiß recht gut zwischen Recht, Unrecht und leeren Konventionen zu unterscheiden. Wenn jemand Frilly mit einer Mistgabel angriffe, würde ich viel wütender sein, als wenn man mir erzählte, Pa sei mit der Kneipenbedienung ins Bett gegangen. Das erste wäre ein Unrecht, das zweite ein Ausrutscher. Es hängt alles davon ab, daß man sich seiner eigenen Prioritäten bewußt ist. Grausamkeit oder Ungerechtigkeit ist viel schlimmer als Gesellschaft unter der Bettdecke, und wenn Ross die Konstellation für seine Zwecke ausnutzen wollte, würde es womöglich zu einem Ausrutscher führen, zu viel mehr aber nicht. Und tatsächlich wäre alles nach Plan gegangen, wenn er nicht mit dem Ellbogen an die offene Schublade gekommen wäre und diese brutal zugeknallt hätte. Charlie sprang kläffend auf, Kip knurrte, Lulu fiel aus dem Bett, und Edyth hüpfte über uns weg.
    Ich zeigte zum erstenmal wahre Begeisterung. «Ruhe!» schrie ich und schubste Ross weg. Ich konnte auf keinen Fall riskieren, daß der Welpe erstickte: das hieße, die Gastfreundschaft übertreiben. Ich registrierte Sue-Ellens üblen Mundgeruch, als sie auf meinem Kissen Schutz suchte.
    Was Ross endgültig veranlaßte, von seinem Vorhaben abzusehen, war sicher nichts anderes als Sue-Ellens Zahnproblem, denn er zuckte blitzartig zurück und drehte sich zum Fenster. Ich kümmerte mich natürlich nicht darum, was er machte, riß die Schublade wieder auf und hörte zu meinem Entsetzen, daß der Welpe gurgelnde Laute von sich gab. Vielleicht waren es nur Rülpser, doch sicherheitshalber nahm ich ihn und schwenkte ihn durch die Luft. Er war vor Schreck sofort geheilt. Ich musterte das mürrische Gesichtchen, das aussah wie die Unterseite eines großen Zehs, und er ließ ein paar Tropfen Babynahrung auf Pas Pyjamajacke fallen. Ich wischte uns beim Kerzenlicht notdürftig ab, legte ihn wieder

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