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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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völlig abwegig. Gerechtes, empörtes Handeln entlarvt in moralischen Niederungen irrende Sittenlose. In moralischen Niederungen irrende Sittenlose? Das klingt gestelzt, unnatürlich.
    Je länger ich darüber nachdenke, desto einleuchtender erscheint mir Stolettis Bemerkung zu der zweiten Nachricht. Die Wortwahl ist merkwürdig. Einiges davon erscheint wie blanker Unsinn.
    Zuletzt werden Echos innigster Trauer erschüttert nachhallen. Vernehmlich erschallen.
    Rührige Sendboten beständig ertragen neue unaufhörliche Torturen zu einem neuen Zweck.
    Warum wiederholt er mehrfach gleichbedeutende Worte? Und warum fügt er in einen Satz die überflüssigen Worte neu und unaufhörlich ein?
    Vielleicht sind diese Nachrichten gar nicht im wörtlichen Sinn zu verstehen. Wir sind die ganze Zeit davon ausgegangen, dass ein Nachahmer von Burgos’ Taten ebenso geisteskrank sein muss wie er selbst, getrieben von einem krankhaften religiösen Eifer. Schließlich tragen diese Nachrichten allesamt Anzeichen davon.
    Aber vielleicht steckt doch mehr dahinter. Womöglich verbirgt sich dahinter eine Art Code.
    Ich schnappe mir ein leeres Blatt Papier und beginne mit den Worten zu spielen, auf der Suche nach irgendeinem verborgenen Sinn. Zunächst lese ich nur jedes zweite Wort, dann jedes dritte. Kein Muster zu entdecken. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf eine mögliche Bedeutung der überflüssig wirkenden Worte. Ebenfalls Fehlanzeige. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, als stünden einige dieser Worte am falschen Platz – und nicht nur einzelne Worte, sondern auch ganze Sätze wie Gerechtes, empörtes Handeln entlarvt in moralischen Niederungen irrende Sittenlose.
    Warum verwendete er ausgerechnet diese Worte? Welche Aufgabe haben sie in seinem Code?
    Moment. Einen Moment.
    Ich beginne hektisch zu kritzeln, um meine Theorie zu überprüfen. Mein Herz beginnt zu pochen, als es sich immer mehr herauskristallisiert: Er hat diese Worte nur deshalb benutzt, weil er einen bestimmten Anfangsbuchstaben benötigte. Neu etwa hat er ausschließlich verwendet, weil er ein n brauchte.
    Ich notiere den Anfangsbuchstaben jedes Wortes aus dem ersten Brief:
    B-E-N-Ö-T-I-G-E-E-R-N-E-U-T-I-H-R-E-B-E-I-H-I-L-F-E
     
    Jesus im Himmel.
    Benötige erneut Ihre Beihilfe.
    Der zweite Brief:
    W-E-R-D -E-Z-W-E-I-T-E-N-V-E-R-S-B-E-N-U-T-Z-E-N-Z-E-I-T-Z-U-O-P-F-E-R-N-A-L-B-A-N-I
    Werde zweiten Vers benutzen. Zeit zu opfern Albani.
    Der dritte Brief:
    A-N-D-E-R-E-W-I-S-S-E-N-U-M-U-N-S-E-R-G-E-H-E-I-M-N-I-S
    Andere wissen um unser Geheimnis.
    Diese Botschaften waren eindeutig für mich bestimmt. Er benötigt erneut meine Hilfe. Er hält die Zeit für gekommen, Albany zu opfern. Andere wissen um unser Geheimnis.
    Unser Geheimnis? Er braucht meine Hilfe? Erneut?
    Was, zum Teufel, soll das bedeuten?
     
    Es ist Zeit. Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
    Leo tritt zu dem Fenster, von dem aus man die Straße überblickt. Drüben auf der anderen Straßenseite, ein paar Häuser weiter, zeigt eine Frau einigen Männern ein Grundstück; ein Stück die Straße runter parkt ein Fed-Ex-Laster; zwei Latino-Frauen spazieren mit ihren Kindern den Gehsteig entlang und essen frische, von Butter triefende Maiskolben.
    Leo legt die Plastikschürze um und schließt die Schnallen in Nacken und Rücken. Dann läuft er rüber ins Wohnzimmer zur Stereoanlage. Auf dem Verstärker steht ein gerahmtes Foto: Shelly Trotter und Paul Riley im Park, in die Kamera winkend. Er winkt zurück.
    Hallo, Paul. Ahnst du, was ich gleich tun werde?
    In der Anlage liegt eine CD mit klassischer Klaviermusik. Er verharrt einen Moment, schließt die Augen, lauscht auf die zarten, wundervollen Klänge von Horowitz. Katrina hat auch Klavier gespielt, natürlich nicht so schön, ihre kleinen unbeholfenen Hände hämmerten plump auf die Tasten ein. Mutter brachte es ihr bei. Leo wollte sie ebenfalls unterrichten, aber Vater erlaubte es nicht. Männer von Welt haben keine Zeit für solchen Firlefanz, sagte er immer, aber Leo war eifersüchtig auf Kat, und er war sich sicher, dass sie in den folgenden Jahren nur deshalb weiterspielte, weil es eine weitere Möglichkeit war, ihren jüngeren Bruder zu ärgern und ihre Dominanz auszuspielen. Oh, keiner hat Kat durchschaut, auch später nicht, als sie die ganze Familie um den Finger wickelte und manipulierte, ihre Heimtücke, das Böse in ihrer Seele, bis eines Tages seine Stunde schlug und sie auf dem Eis ausrutschte und endlich einmal hilflos dalag, keinen

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