In Gottes Namen
Information zu verarbeiten. Schaut so aus, als hätten Cassie und Professor Albany etwas am Laufen gehabt. Cassie war schwanger. Vermutlich hatte sie eine Abtreibung. Ihre Ärzte saßen in diesem Gebäude in Sherwood Hights, in das Fred Ciancio sich drei Wochen vor der Mordserie versetzen ließ.
»Sie müssen mit der Polizei reden«, sage ich.
Sie nickt, obwohl diese Aussicht sie nicht gerade zu begeistern scheint.
»Wohnen Sie hier bei Nat?«
Sie wirkt überrascht. »Ich bin nur kurz in die Stadt gekommen. Ich wollte eigentlich gleich wieder rausfahren.«
»Sprechen Sie mit Detective McDermott.« Ich ziehe eine Visitenkarte heraus und kritzele seine und meine Handynummer auf die Rückseite. »Bleiben Sie in der Nähe, Gwendolyn«, sage ich zu ihr.
Mit zitternder Hand unterschreibt Natalia Lake ihre Einwilligungserklärung und reicht sie McDermott zurück.
»Danke, Mrs. Lake.«
»Sie werden mich wissen lassen, wie es in der Sache weitergeht, nehme ich an.« Ihre Augen erforschen sein Gesicht. McDermott kennt diesen Blick nur allzu gut. Angehörige von Opfern hoffen auf die Zusicherung, dass alles gut wird, dass sie nur die Augen schließen und beten müssen, und der geliebte Mensch kommt zu ihnen zurück.
»Natürlich werde ich das.« Er ergreift ihre kalte Hand und hält sie ein wenig länger als nötig.
Als er sich zur Tür wendet, packt sie ihn am Arm. Er dreht sich zu ihr um. Durch das Gespräch wirkt sie um Jahre gealtert. Anstelle einer eleganten distinguierten Dame hat er jetzt eine von quälenden Erinnerungen gepeinigte Mutter vor sich.
»Hängen die aktuellen Vorkommnisse mit dieser Sache von damals zusammen? Mit Cassies Abtreibung? Versucht jemand, das zu vertuschen?«
McDermott tut sein Möglichstes, sieht sie verbindlich an und äußert aufrichtig gemeinte Trostworte. Aber er weiß keine Antwort auf ihre Fragen. Und in mehr als einer Hinsicht ist es ihm auch gleichgültig. Es ist nicht seine Aufgabe, einen sechzehn Jahre zurückliegenden Fall zu lösen.
Er ist hier, um Leo Koslenko zu finden.
Zurück in Shelly Trotters Apartment schiebt Leo die Glastür wieder zu und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er lässt sich einen Moment Zeit, bis sein Atem sich wieder beruhigt hat. Was folgt als Nächstes?
Er blickt zurück ins Wohnzimmer, wo die Kettensäge in der Sporttasche wartet. Dann schaut er auf die Uhr.
Bald. Bald ist es so weit.
42. Kapitel
McDermott kommt mit riesigen Schritten ins Revier gehastet. Powers tritt auf ihn zu. »Die Durchsuchungsbefehle liegen auf deinem Schreibtisch. Albany wird jede Minute eintreffen.«
McDermott wirft einen kurzen Blick auf das Display seines Handys und hört Rileys Nachricht ab.
»Harland Bentley werden wir auch noch auftreiben. Übrigens – kann es sein, dass da eine Dame von der Regierung auf dich wartet?« Er deutet auf McDermotts Schreibtisch. »Diese Frau hat ein echt loses Mundwerk.«
McDermott erlaubt sich ein kleines Lächeln. Eine zutreffende Beobachtung.
»Hey, Mickey.« Special Agent Jane McCoy erhebt sich aus ihrem Stuhl und zwinkert ihm zu.
»Mickey?«
»Ist mein neuer Spitzname für dich.«
»Ist dir Blödmann zu langweilig geworden? Wie läuft’s denn so bei der Terrorabwehr?«
»Das Geschäft brummt. Können wir irgendwo in Ruhe sprechen?«
Normalerweise haben Cops und FBI nicht viel füreinander übrig. Aber vor ein paar Jahren, als McDermott frisch im Dienst war und McCoy für die Rauschgiftbehörde arbeitete, waren sie beide an der Verhaftung einer West-Side-Straßengang beteiligt.
Inzwischen ist McCoy bei der Terrorabwehr gelandet. Da McDermott sonst niemanden beim FBI kennt, und sie eng mit der Emigrationsbehörde zusammenarbeitet, hat er sie angerufen.
Sie gehen in den Konferenzraum, den McDermott für sich mit Beschlag belegt hat und der überquillt von Materialien über den Fall Burgos. McCoy, der so schnell nichts entgeht, verkneift sich ausnahmsweise einen Kommentar.
Sie wirft eine Akte auf den Tisch. »Das ist eine Geheimakte über Leonid Koslenko. Sie ist an sich nicht für deine Augen bestimmt. Kopier dir, was du brauchst, und gib mir alles zurück.«
McDermott langt nach dem braunen Umschlag und nickt. »Danke, Jane.«
»Der für Koslenko zuständige Mann in der Emigrationsbehörde wurde vor zehn Jahren pensioniert. Danach fiel der Bursche unter allgemeine Zuständigkeit.«
McDermott schüttelt fragend den Kopf. Er hatte keine Ahnung, wovon sie spricht.
»Das bedeutet«, erläutert McCoy,
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