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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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»er war über zehn Jahre im Land, ohne sich was zuschulden kommen zu lassen, und hat daher keinen speziellen Aufpasser mehr. Besteht irgendein Anlass, jetzt ein Auge auf ihn zu werfen?«
    »Ich denke, ein solcher Anlass ist in der Tat gegeben.« Er lächelt sie an.
    »Jetzt redest du wie einer vom FBI, Mickey. Du machst mir Angst.« Sie schiebt sich das lockige Haar hinter die Ohren und lässt ihren Blick einen Moment zu lange auf ihm ruhen. Dann blinzelt sie und wird wieder ernst. »Leonid Koslenko wurde 1967 geboren und wuchs in einer reichen Leningrader Familie auf. 1982, als er fünfzehn war, schickte man ihn in eine Anstalt in Lefortovo. So ziemlich genau zwei Jahre später wurde er wieder entlassen.«
    »Eine Anstalt? Du meinst ein Irrenhaus?«
    Sie zuckt mit den Achseln. »Irrenhaus, Zuchthaus – das war in der Sowjetunion nicht so genau zu unterscheiden. Aber in den Unterlagen ist von einer Geisteskrankheit die Rede.«
    »Verstehe. Und nach zwei Jahren wurde er wieder entlassen?« Er richtet sich auf. »Etwa weil er geheilt war?«
    Sie bemerkt die Ironie in seinen Worten und erwidert mit einem Grinsen in den Mundwinkeln: »Man hat bei ihm eine schleichende paranoide Schizophrenie diagnostiziert.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Gar nichts. Damals haben die Sowjets alle weggesperrt, die sie von der übrigen Bevölkerung fernhalten wollten – politische Dissidenten, Christen, was auch immer. Aber sie haben sie nicht in Zuchthäuser gesteckt. Sondern in die Klapsmühle.«
    Er zuckt zusammen. Früher hat er sich auch so ausgedrückt.
    »Sie haben lächerliche Diagnosen wie schleichende Schizophrenie benutzt. Die Leute verschwanden für Jahre von der Bildfläche.«
    Das mag durchaus sein. Allerdings haben auch die amerikanischen Ärzte bei Koslenko eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Das teilt er McCoy mit.
    Sie zuckt mit den Achseln. »Vielleicht gehörte er wirklich dorthin. Trotzdem floh er 1986 aus der Sowjetunion und stellte einen Einwanderungsantrag für die USA. Seine Eltern halfen ihm dabei. Und er hatte einen guten Vorwand. Er gab an, er sei wegen seiner politischen und religiösen Überzeugungen verfolgt worden und habe deshalb in Lefortovo eingesessen. Und seine teueren Anwälte überzeugten unsere Regierung davon, dass er die Wahrheit sagt. Aber jetzt kommt der eigentliche Knüller: Du errätst nicht, wer ihm in den Staaten half.«
    Er braucht nicht zu raten. Doch warum sollte er ihr den Spaß verderben?
    »Harland Bentley«, verkündet sie. »Der Harland Bentley. Und seine Frau Natalia.«
    Er nickt.
    »Offensichtlich keine große Neuigkeit für dich«, schlussfolgert sie.
    »Der Teil nicht, nein. Also, Jane, er wurde 1982 in die Anstalt gesteckt. 1984 kam er wieder raus. Er verließ 1986 die Sowjetunion und reiste nach Amerika.«
    Sie schweigt.
    »Was ist in diesen beiden Jahren passiert? Zwischen 84 und 86?«
    Sie lächelt, aber nur für einen kurzen Moment. »Das ist der Grund, warum sie dir so ein fettes Gehalt zahlen, Mike.« Sie beugt sich vor und legt die Hand auf die Akte, die sie ihm gegeben hat. »Und der Grund, warum diese Akte eigentlich streng geheim ist.«
     
    Nach dem Gespräch mit Gwendolyn kehre ich ins Büro zurück. McDermott hat sich immer noch nicht gemeldet. Also wende ich mich erneut den auf dem Schreibtisch ausgebreiteten Briefen zu. Über ein Dutzend Mal habe ich sie in den vergangenen Tagen gelesen, trotzdem bin ich mir sicher, irgendwas übersehen zu haben.
    Der erste:
    Böses ersteht neu. Öffentliche Teilnahme ist gewiss. Er kennt Euer Rätseln Nähe einstiger unvergessener Taten? Ihr Heiden, reuevoll erwartet bald Erhellung. Inzwi schen Herr, ingrimmig lasst Fackelträger erscheinen.
    Der zweite:
    Werde erleiden rächend das Ende. Zuletzt werden Echos innigster Trauer erschüttert nachhallen. Vernehmlich erschallen. Rührige Sendboten beständig ertragen neue unaufhörliche Torturen zu einem neuen Zweck. Eine innige Teilnahme zeitigt unerschrockene, offenherzige Parteinahme; fordert eine rührige Neugier, auch liebe vollen Betrug an niedergelegten Ideen.
    Der dritte:
    Aufs Neue den erzürnten Rächer ehrt. Wehe, Ihr Sün der, sehet Euer nachwirkendes Unrecht. Mit unserem neuerlichen Strafgericht ersteht Recht. Gerechtes, em pörtes Handeln entlarvt in moralischen Niederungen irrende Sittenlose.
    Der erste Brief ergibt noch halbwegs einen Sinn. Es geht um die Verbindung zwischen seinen Verbrechen und den Morden von Terry Burgos. Auch der dritte wirkt nicht

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