In Gottes Namen
der Nase.«
Riley scheint ihn nicht zu hören. Er fährt mit den Händen über den Tisch, als wolle er Sand von einem zerbrechlichen Kunstwerk streichen; als suche er nach Worten.
»Ich brauche Ihre Hilfe, Riley. Ist Ihr Kopf noch klar genug dafür?«
Riley schweigt. Aber McDermott hat nichts zu verlieren. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, Riley überraschend und mit offenem Visier zu erwischen. Womöglich tut es ihm auch gut, sich auf den Fall zu konzentrieren statt auf seinen Schmerz.
Also breitet er den Stand der Ermittlungen vor Riley aus, auch wenn dieser bereits das meiste davon weiß oder doch zumindest ahnt. Harland ist Gwendolyns Vater, was Cassie kurz vor ihrem Tod herausfand. Cassie war schwanger und hatte eine Abtreibung – was Cassies Mutter bestätigt hat -, und sie hatte eine Affäre mit Professor Albany. Cassie vermutete, ihr Vater hätte ein Affäre mit ihrer besten Freundin Ellie – und das unmittelbar vor dem Tod der beiden.
Er muss Riley nicht eigens sagen, dass all das bereits hinlänglich auf Harland Bentley und Professor Albany verweist. Und falls es noch Zweifel gibt, werden sie durch den Brief ausgeräumt, den man bei Koslenko fand und dessen Echtheit Albany bestätigt hat: Harland hat mit Albany einen Handel geschlossen – schweig du über meine Affäre, dann schweig ich über deine.
Für beide stand einiges auf dem Spiel. Reiche Frauen, die Anwartschaft auf eine Lebensstellung. Da war durch den Tod von zwei jungen Frauen viel zu gewinnen.
Riley schweigt. Bisher hat er kein Wort gesagt. McDermott beginnt sich zu fragen, warum er sich überhaupt die Mühe macht.
Plötzlich springt Riley von seinem Stuhl auf. Er läuft in die Ecke des Raumes und starrt ins Nichts.
»Harland Bentley hat seine Tochter beseitigen lassen, Paul. Und Ellie. Er hat einen Helfer für die Schmutzarbeit aufgetrieben, einen psychisch gestörten und gewalttätigen Mann. Das konnte zwar seine Ehe nicht mehr retten, aber seine Frau war zu kaputt, um mit ihm zu streiten, also warf sie ihm zwanzig Millionen in den Rachen, damit er verschwand, und er sackte sie eiskalt ein. Alles in allem kein schlechter Deal.«
Riley bewegt sich nicht. McDermott führt im Grunde ein Selbstgespräch.
»Ich weiß noch nicht, wie Albany ins Bild passt. Ich schätze, er hat ihm mit den anderen Morden geholfen. Vielleicht hat er die Schlüssel für das Auditorium organisiert, um die Leichen dort zu entsorgen. Womöglich hat er sich auch Burgos’ Schlüssel geschnappt, in dessen Suburban die Frauen verschleppt und in Burgos’ Haus geschafft. Es war ganz sicher seine Idee, den Songtext zu verwenden. Ich meine, wer kannte diesen Text besser als Albany?«
Riley stützt eine Hand gegen die Wand. »Die anderen Morde sollten die an Ellie und Cassie bloß vertuschen. Sie wollten das Werk eines Serienkillers imitieren, der durch den Song inspiriert war. Alles passt zusammen, Riley. Nur hilft uns das nicht, Leo Koslenko zu finden. Der Kerl ist vermutlich längst über alle Berge. Wer immer ihn kontrolliert hat – Bentley, Albany -, hat keinen Einfluss mehr auf ihn.«
McDermott atmet tief durch. Er lädt hier eine Menge auf diesem Mann ab, der heute Abend seine Freundin in tausend Stücke zersägt vorgefunden hat. Aber er hat jetzt keine Zeit, diplomatisch vorzugehen. Er spürt, dass Riley alles tun wird, um Koslenko zu stoppen, und er braucht jetzt seine Hilfe.
»Riley«, sagt er leise. »Alle, die in dieser Woche ermordet wurden – Ciancio, Evelyn Pendry, Amalia Calderone und Shelly -, hatten einen kleinen Einschnitt zwischen der vierten und fünften Zeh ihres linken Fußes. Er wurde ihnen nach Eintritt des Todes beigebracht. Lässt das was bei Ihnen klingeln?«
Riley steht da wie erstarrt. Seine Lippen bewegen sich lautlos, als wiederhole er das soeben Gehörte.
»Ich muss weg«, sagt er.
Kurz vor Mitternacht verlasse ich den Einsatzraum der Detectives, übermüdet und mit überfrachtetem Hirn. Der Gouverneur ist immer noch auf dem Revier. Seine Presseleute haben bereits eine Erklärung herausgegeben, aber die Medien draußen lauern immer noch auf die Protagonisten aus Fleisch und Blut.
Neben mir ein Polizist, der mich nach Hause fahren soll. Die Pressemeute drängt sich hinter den Barrikaden, die den Parkplatz und den Haupteingang des Reviers abriegeln, und ich höre, wie sie meinen Namen rufen.
»Paul, hat Leo Koslenko Shelly ermordet?«
»Gibt es einen Zusammenhang mit dem Fall Burgos?«
»War Terry Burgos
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