In Gottes Namen
assistiere mir.«
Jerry Lazarus, einer der Junior-Partner der Firma, steckt seinen Kopf durch die Tür. »Darf ich kurz unterbrechen?«
»O ja, ich bitte darum, Laz. Tun Sie das.«
Betty marschiert aus dem Büro und wirft mir dabei einen Blick zu, der die Sonne gefrieren lassen könnte.
»Im Fall Lysinger stehen wir in den Startlöchern. Die Staatsanwaltschaft ist bereit, einen Richter auszuwählen.« Lazarus nickt in Richtung meines Schreibtischs. »Haben Sie mein Resümee gelesen?«
»Äh, nein«, gebe ich zu und blättere durch einen kleinen Stapel mit Papieren. Eine der vielen Tochterfirmen von BentleyCo mit Namen Bentley Manufacturing stellt Gerätschaften für Fast-Food-Restaurants her. Eine Restaurantkette in Texas will den Vertrag kündigen, also kommen wir ihnen zuvor, machen ihnen die Hölle heiß und versuchen, eine richterliche Verfügung zu erwirken, die ihnen das untersagt – und so weiter und so fort. Privatrecht raubt einem den letzten Nerv.
Ich finde das Resümee und wedele damit in der Luft herum. »Wie sehr unterscheidet es sich von der vorigen Fassung?«
»Nicht sehr«, sagt Jerry. »Wir haben zusätzlich eine Anklage wegen schädigenden Eingriffs in bestehende und zukünftige Geschäftserwartungen erhoben.«
»Wer hat das gemacht?«
»Lance.« Jerry nickt. »Aber ich hab es noch mal gecheckt. Die Sache hat Hand und Fuß.«
Einer unserer Partner fertigt immer den Rohentwurf an und recherchiert dafür, wenn nötig, die ganze Nacht. Dann überprüft mein junger Partner Jerry das Ganze aufs Gründlichste. Und zum Schluss gebe ich als Hauptverantwortlicher noch meinen Segen dazu, bevor wir es rausschicken. Harland Bentley zahlt die stattlichen Honorare für all die Extraarbeit und die Überstunden, ohne mit der Wimper zu zucken. Privatrecht ist schon eine tolle Sache.
»Basketball morgen?«, frage ich Jerry. Unser wöchentliches Spiel, immer mittwochs in der Mittagspause.
Er zuckt mit den Achseln. »Weiß nicht, Boss. Ich mach mir ein bisschen Sorgen deswegen.«
»Worüber machen Sie sich Sorgen? Dass Sie von Ihrer Frau keine Erlaubnis kriegen?«
»Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft in dieser Firma, wenn ich Sie noch mal so alt aussehen lassen, wie bei dem Spiel letzte Woche.«
»Lazarus.« Ich leere mein Wasser und schnalze zufrieden mit der Zunge. »Wenn Sie nur halb so gut werfen könnten wie Sprüche klopfen, würden Sie vielleicht ab und zu auch mal einen Ball in den Korb kriegen.« Ich bedeute ihm, den Raum zu verlassen. »Und jetzt arbeiten Sie bitte wieder an Ihren Akten oder meinetwegen an Ihrer Wurftechnik, auf jeden Fall an irgendwas außerhalb meines Büros.«
»Wir treffen uns – in fünf Minuten«, sagt er.
Ach ja, verdammt, dieses Meeting. An diesem Punkt meiner Karriere besteht meine Arbeit zu fünfundneunzig Prozent daraus, die Arbeit anderer zu überwachen. Meine Anwälte sind mehr als kompetent. Ich lenke sie nach genauen strategischen Vorgaben, und dazu muss man kein Genie sein. Im Grunde habe ich nur eine mehr oder weniger repräsentative Funktion – ich gehe zu den großen Hearings und bin bei den seltenen Fällen präsent, wenn wir vor Gericht ziehen, doch das Einzige, was nach wie vor echtes persönliches Interesse bei mir weckt, sind die Kriminalprozesse.
Rasch überfliege ich meine Post. Das meiste davon sind Werbebriefe oder Bitten um Spenden von gemeinnützigen Organisationen. Die Spendenbitten landen auf einem gesonderten Stapel, denn wir haben hier in der Kanzlei ein eigenes Komitee, das über die Geldervergabe entscheidet. Wir haben hier Komitees für alles.
Aber dann entdecke ich erneut einen Brief mit handgeschriebener Adresse – die Schrift ähnelt der des ersten Briefs, derselbe breite Tintenfüller. Und es ist ein hiesiger Poststempel darauf. Ich öffne den Umschlag, und der Brief fällt heraus. Aus irgendeinem Grund entfalte ich ihn behutsam und halte das Blatt nur mit den Fingerspitzen am äußersten Rand.
Werde erleiden rächend das Ende. Zuletzt werden Echos innigster Trauer erschüttert nachhallen. Vernehmlich ertönen. Rührige Sendboten beständig ertragen neue unaufhörliche Torturen zu einem neuen Zweck. Eine innige Teilnahme zeitigt unerschrockene, offenherzige Parteinahme; fordert eine rührige Neugier, auch liebe vollen Betrug an niedergelegten Ideen.
Mein Lachen klingt selbst in meinen eigenen Ohren bemüht. Die Handschrift ist ohne Zweifel die gleiche wie beim letzten Brief. Unheimlich, dieser Kerl. Vielleicht hat Burgos
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