In Gottes Namen
ich das nicht sagen. Ich hing zwar immer mit ihnen ab, wenn ich in die Stadt kam, aber allzu oft kam ich nun mal nicht in die Stadt. Die meiste Zeit war ich in Europa unterwegs oder in L.A. – oder weiß Gott wo.«
Ich schweige kurz und gehe innerlich meine Liste mit Fragen durch. »Cassie und Ellie waren mit einem ihrer Lehrer befreundet. Der Kerl, der auch Terry Burgos in seinen Kurs holte. Ein gewisser Professor Albany.«
Unsicher neigt sie den Kopf. »Ein Professor, sagen Sie?«
»Genau. Klingelt da was bei Ihnen?«
Sie blickt in die Ferne. »Ich weiß nicht – vielleicht.«
Vielleicht. Vielleicht ist dieser ganze Ausflug ein verdammter Schlag ins Wasser.
»Wie sieht’s mit Drogen aus, Gwendolyn?«, frage ich. »Cassie. Oder Ellie. Haben die welche genommen?«
Sie senkt den Blick. Sie nickt kaum merklich.
»Kokain?«, frage ich. »Marihuana?«
»Koks.« Sie zieht die Stirn kraus. »Oder wahrscheinlich beides. Studentenzeit eben.«
»Waren Sie je dabei? Haben Sie sie mal dabei beobachtet?«
Sie beißt sich auf die Lippen. »Ich glaube, wir haben sogar gemeinsam Drogen genommen.«
»Sie glauben.«
Ihre Augen blitzen mich wütend an. Sie mag diese bohrenden Fragen nicht. »Haben Sie nie in Ihrem Leben versucht, etwas zu vergessen? Haben Sie nie Erinnerungen so lange beiseite geschoben, bis sie irgendwann nicht mehr existent für Sie waren? Sie in eine geheime Kammer Ihres Hirns gestopft, die Tür verschlossen und den Schlüssel weggeworfen?«
Ich breite versöhnlich die Hände aus. »Gwendolyn …«
»Ja«, zischt sie. »Ich bin mir sicher, dass ich zusammen mit ihnen was geschnupft habe.«
»Mit ihnen heißt -«
»Cassie und Ellie – und gelegentlich Brandon, und manchmal Frank, und manchmal irgendwelche anderen Leute. Wer eben den verdammten Stoff mit zur Party gebracht hat. Okay?«
Sie erhebt sich, aber selbst diese plötzliche Bewegung bringt das schwere Boot kein bisschen ins Schwanken. Sie beschirmt ihr rotes Gesicht mit der Hand.
»Ich hatte auch eine harte Kindheit«, sagt Shelly. »Ich weiß, was Sie meinen. Man blättert nicht einfach locker um zum nächsten Kapitel. Man schlägt das ganze Buch zu und schmeißt es weg.«
Gwendolyn lässt sich einen Moment Zeit, dann nickt sie. »Genau.«
»Es war nicht unsere Absicht, Sie zu belästigen«, fügt Shelly hinzu. »Aber wir haben keine andere Wahl. Menschen werden ermordet.«
»Also …« Gwendolyn hebt die Hand, als wollte sie uns um Ruhe bitten, während sie hinaus über den See blickt. »Das tut mir aufrichtig leid. Wirklich. Aber das alles hat nichts mit mir zu tun.« Sie stellt sich hinter das Steuerrad und bedient ein paar Hebel. »Ich fahre jetzt zurück zu meinem Restaurant«, sagt sie. »Zurück in mein jetziges Leben.«
Gwendolyn beschleunigt den Ponton in Richtung Ufer. Sie manövriert das Boot in den Bootsschuppen und schaltet den Motor aus. Dann dreht sie die schwere Kurbel, diesmal in die andere Richtung, um den Ponton wieder an Land zu ziehen.
Höflich gibt sie uns beiden zum Abschied die Hand und schenkt mir ein überraschend sanftes Lächeln. Offensichtlich bereut sie ihren Ausbruch bereits. Aber man hat mich schon schlechter behandelt.
Shelly und ich schlendern schweigend zum Wagen zurück. Ich lasse den Motor an und fahre ein Stück, bis wir außer Sichtweite sind, dann erst frage ich sie nach ihrer Meinung.
»Sie hat Angst«, sagt Shelly.
Das mag sein. Behutsam formuliert, ist sie unaufrichtig gewesen. Erst behauptet sie, Professor Albany nicht zu kennen, nur um ihn dann im Lauf des Gesprächs Frank zu nennen.
»Ich glaube, sie ist ein guter Mensch«, fügt Shelly hinzu. »Aber sie war sich unsicher, was sie dir verraten darf und was nicht.«
»Und vermutlich sollte ich genau daraus meine Schlüsse ziehen. Aber welche? Deckt sie irgendjemanden?«
»Du wirst es noch früh genug herausfinden.« Shelly kurbelt das Fenster herunter und legt das Gesicht in den Wind. »Sie wird sich bei dir melden, sobald sie so weit ist.«
»Ach wirklich?«
»Vertrau einer Frau.« Spielerisch tätschelt sie meine Hand.
Schweigend fahren wir weiter, bis wir den Interstate erreichen. Ich setze großes Vertrauen in Shellys Menschenkenntnis, und vermutlich hat sie auch diesmal recht. Gwendolyn wirkt wie ein aufrichtiger Mensch, der nur ungern Fragen ausweicht, es sei denn, er sieht sich dazu gezwungen. Ich wünschte nur, ich wüsste, was sie am Sprechen hindert.
Ich spüre Shellys Blick auf mir ruhen und sehe zu ihr
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