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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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Ende zu führen, verstieß er gegen jene Etikette, die für alle galt, die dieses Haus betraten, und deren unausgesprochene Regel besagte, dass oben keine Besucher gestattet waren. Ein- oder zweimal hatte sich Harstad die Hände waschen müssen, nachdem er Mutter im Garten geholfen hatte, und es wäre für ihn viel bequemer gewesen, das obere Bad oder die Spüle in der Küche zu benutzen, doch hatte er sich stets die Mühe gemacht, das winzige Becken der unteren Toilette direkt neben dem kleinen Vorratsraum zu benutzen, in dem Mutter ihre Rechen und Pflanztöpfe aufbewahrte. Soweit ich mich erinnern konnte, gab es seit all den Jahren, die wir in diesem Haus lebten, nur eine Ausnahme von der Regel, und die betraf den Lieferanten von Fløgstad, der höchstens einmal im Jahr kam und wie ein zielstrebiger, muskelbepackter Geist arbeitete, nie eine Einladung zu einer Tasse Kaffee oder einem Mittagessen annahm, sich nie auf etwas einließ, das man ein Gespräch nennen konnte, und so bedächtig wie stetig zwischen Lieferwagen und Atelier hin- und herging, um die eingewickelten Gemälde eines nach dem anderen nach unten zu tragen und im eigens dafür ausgestatteten Wagen fachgerecht zu verpacken, damit sie auf der langen Fahrt gen Süden keinen Schaden nahmen.
    Es machte mich also verlegen, dass Frank Verne direkt über unseren Köpfen auf Mutters Sofa hockte und ihr mit seiner sanften, viel zu intim klingenden Stimme Fragen stellte – und deshalb fühlte ich mich, während ich Kaffee machte, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch einerseits, diese Tatsache zu verheimlichen, und dem Drang andererseits, Kyrre davor zu warnen, dass jeden Moment ein Fremder auftauchen konnte. Ich war verunsichert und hatte zugleich ein schlechtes Gewissen, denn ich wusste, wie sehr es den alten Mann verletzen würde, wenn er erführe, dass ich ihm etwas verschwieg. Nachdem ich Tassen und einen Teller mit dänischen Keksen bereitgestellt hatte, wandte ich mich schließlich zu Kyrre um, der mit der Werkzeugtasche zu Füßen am Fenster stand, und weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, sagte ich das eine, was ich nicht hätte sagen sollen. » Weiß Mutter, dass du kommst?«
    Kyrres Antwort war ein schiefes Lächeln. » Ja«, sagte er dann. » Ich wollte schon seit Tagen kommen …«
    » Oh, sie hat mir gar nichts gesagt …«
    » Na ja, wir haben auch keine feste Zeit vereinbart. Nichts Genaues jedenfalls.«
    » Verstehe. Na ja, wenn du willst, könnte ich sie holen. Sie ist in ihrem Atelier.« Einen Moment dachte ich noch nach und entschied mich dann. » Sie hat gerade Besuch, aber der wird nicht mehr lang bleiben.«
    Das überraschte ihn natürlich, doch ließ er es sich kaum anmerken, und er erlag auch nicht der Versuchung, nach dem Namen des Besuchers zu fragen. Was unter den gegebenen Umständen eine ziemliche Leistung war. » Ach, lass mal«, sagte er rasch. » Stör sie nicht, ich mach mich lieber an …«
    » Es ist nur ein Journalist«, sagte ich, was schließlich der Wahrheit entsprach, auch wenn ich bereits wusste, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Und wenn doch, dann bedeutete sie nicht, was man gewöhnlich mit nur ein Journalist meinte. Journalisten waren nichts Ungewöhnliches in diesem Haus, doch stets auf das Wohnzimmer oder den vorderen Tagesraum beschränkt, von dem aus man den besten Blick auf den Garten hatte. Nur erklärte Mutter sich diesmal nicht bloß damit einverstanden, Frank Verne in ihr Atelier zu lassen, sie gewährte ihm auch noch einige andere subtile, unerhörte Privilegien, und ich wollte nicht, dass Kyrre davon etwas mitbekam.
    Er schüttelte den Kopf. » Ich mache mich direkt an die Arbeit«, sagte er, » und verschwinde dann wieder. Muss sowieso noch ein paar Sachen unten an der Küste erledigen.«
    Er trank den Kaffee aus, griff nach seiner Werkzeugtasche, und ich folgte ihm auf die andere Hausseite zum unaufgeräumten, nach Erde riechenden Gartenzimmer, in dessen hinterster Ecke der Trockner stand, umgeben von Tontöpfen und Abfallsäcken. Dies war auch ein Raum, den Außenstehende nur selten zu Gesicht bekamen, und er zeigte eine Seite von Mutter, die Journalisten nie erwähnten. Hier herrschte ein heilloses Durcheinander, ein Chaos wie daheim bei Kyrre, und ich glaube, er fühlte sich hier auch am wohlsten, wenn er kam, um uns auszuhelfen. In diesem Zimmer stand alles Notwendige, hier stapelte sich das Brennholz für die Tage, an denen es so kalt war, dass wir nicht einmal zum Holzstapel

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