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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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üblichen Sinne eifersüchtig war, da ich nicht annahm, dass seine Gefühle für Mutter so weit gingen. Er hatte immer so getan, als stünde er über diesen Dingen; außerdem hatte er von Beginn an alt auf mich gewirkt, ganz unabhängig von seinem Äußeren. Nicht alt wie ein alter Mann, sondern alt wie die behauenen Steine in Mutters Garten, alt wie das Wetter oder die Gezeiten – alt und zugleich beständig, unveränderlich, Teil der Landschaft, Teil der Natur. In diesem Sinne war er zu alt, um so etwas wie einer Schwärmerei zu erliegen, auch zu alt, um eifersüchtig zu sein – doch begriff ich, warum er beunruhigt oder misstrauisch reagierte, schließlich wusste ich, wie weltabgewandt er lebte und wie wenig er von den Männern hielt, denen Mutter jeden Samstagvormittag Tee servierte. Anders gesagt, ich unterstellte ihm nur die nobelsten Absichten – und deshalb hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ihm gegenüber, aber auch mir gegenüber, da ich es mir nicht ausgesucht hatte, an jenem Geheimnis teilzuhaben, das mir von Mutter und Frank Verne aufgedrängt worden war und das mir verriet, dass es bei seiner Anwesenheit um mehr als bloß um ein Interview ging.
    Sie hatten also ihren Spaziergang gemacht, waren aber irgendwann am Nachmittag auch einkaufen gewesen, und als sie aufgeregt in die Küche kamen, beunruhigend familiär und einander vertraut, dachte ich: wie ein Paar – und so kamen sie mir auch vor, wie ein Paar, das sich seit Jahren kannte. Sie hatten geräucherte Forelle und anderen Fisch vom Markt besorgt, Wein, einen Schokoladenkuchen und den unvermeidlichen Gjetost, diesen süßen, kräftigen Käse, der Ausländern immer vorgesetzt wird, zusammen mit der Geschichte, wie man Kinder damit entwöhnte, da er gleich nach der Muttermilch das Beste auf der Welt sei, oder auch, dass Brot und Gjetost, vielleicht noch ein Glas Akevit dazu, üblicherweise das erste und letzte Mahl in einem Haus waren. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie üblich das tatsächlich ist. Vielleicht hat Mutter es nur erfunden. Das macht sie manchmal, nicht nur für Gäste, sondern einfach so. Sie lebt erst seit fünfzehn Jahren im Norden, tut aber gern, als wäre sie schon immer hier gewesen. Es hätte mich nicht überrascht, hätte es an diesem Abend Rentiereintopf gegeben oder Walfleisch, um unserem Gast traditionelle arktische Kost vorzusetzen – und wie sich herausstellte, lag ich gar nicht so falsch. Erst später, als es wieder still im Haus war, ging mir allerdings auf, dass sie sich für dieses Mahl entschieden hatten, weil es für Ausländer kaum auszusprechen war, weil sie so mit dem Wort spielen und es sich wie ein Pfand für irgendetwas zuschieben konnten – ein Pfand für ihre neue Freundschaft, vielleicht auch für eine unerwartete Romanze. An diesem Abend interessierten sie sich nicht für das Essen; sie wollten reden. Oder vielmehr spielen. Sjørøye erlaubte ihnen beides.
    » Also, wie heißt der Fisch noch mal?«, fragte Frank Verne, als Mutter ihn auftrug.
    » Sjørøye.«
    Er versuchte, das Wort auszusprechen, scheiterte aber so kläglich, dass ich es für absichtlich hielt.
    Sjørøye, wiederholte Mutter, sah mich an und lächelte. Ihr lag daran, mich einzubeziehen, weshalb sie mir aus irgendeinem Grund leidtat. Frank Verne versuchte es erneut, dann lachten beide. Mutter wandte sich an mich. » Was meinst du? Ein hoffnungsloser Fall, oder?«
    Ich lächelte, dabei wäre ich am liebsten einfach gegangen. » Übung macht den Meister«, sagte ich.
    Frank Verne wandte sich an mich. » Sagen Sie’s noch einmal.«
    » Sjørøye.«
    Er versuchte es erneut und bekam es fast richtig hin.
    » Sjørøye«, korrigierte ich.
    » Und was heißt das übersetzt?«
    Ich wandte mich an Mutter. Ich hatte keine Ahnung.
    » Saibling«, antwortete sie, was mich überraschte. Bestimmt hatte sie das Wort vorher nachgeschlagen.
    Frank Verne lachte. » Ach so. Das macht es einfacher.« Da er offenbar spürte, dass er das Spiel bis an seine Grenzen und darüber hinaus getrieben hatte, wandte er sich wieder an mich. » Und, Liv«, sagte er, » wie lebt es sich hier draußen so?«
    » Gut«, antwortete ich und wusste, was nun kommen würde. Für junge Leute nicht viel los. Langweilte ich mich denn nie? Womit vertrieb ich mir die Zeit? Hatte ich einen Freund? Mich störte das nicht. Ich hatte mich damit abgefunden, und die Antworten kamen fast automatisch.
    » Ehrlich?«, sagte er. » Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier viel los ist

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