In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
besser wieder. Im Büro herrscht heute garantiert Chaos.«
Sie folgte ihm zur Tür. »Und was erzählt man sich über Nestor?«
»Nicht viel. Er war betrunken. Ist noch mal spät ins Büro gekommen. Sie lassen nichts verlauten. Die Untersuchung steht ja noch ganz am Anfang, nehme ich an.«
»Nehme ich an.« Sie überlegte. »Del?«
»Was?« Er war sofort auf der Hut. Diesen Ton kannte er.
»Bist du in deinem früheren Leben jemals einem DCI Dempster begegnet?«, fragte sie wie nebenbei.
Oh Mann, dachte er, sie macht einfach weiter. Sie wusste, dass er vor seinem Eintritt in die Behörde als Zivilbeamter für interne Beschwerden zuständig gewesen war. Ihre Reaktion auf Nestors Tod war genau wie ihre Reaktion auf alles andere: Da war nichts. Er mochte sie wirklich, sie war unbeugsam, loyal und klug. Bei der Arbeit hatte sie ihn oft gedeckt und die Wucht von Coulthards Feindseligkeit abgefangen. Aber sie war so verdammt abgedreht.
»Warum fragst du?«
»Er führt die Ermittlungen bei dem Mord an meinem Arzt.«
Delroy seufzte und gab ihr einen von Herzen kommenden Rat. »Kollegin, du hast schon jede Menge Ärger. Coulthard hat den Auftrag, einen Bericht über deine Dienstpflichtverletzungen in Bezug auf die tote Informantin zu liefern. Jetzt erwischt es Nestor am selben Schauplatz. Versuch doch einfach mal, ganz im Hintergrund zu bleiben, ja? Misch dich nicht in eine andere Untersuchung ein.«
Er küsste sie rasch auf die Wange und ging.
Zu spät, Kollege, dachte sie. Ich stecke bereits bis zum Hals drin.
Es war immer noch dunkel, aber jetzt würde sie bestimmt nicht schlafen können. Sie goss sich noch einen Scotch ein. Falls Nestor ermordet worden war, musste es eine Verbindung zu Doyles Geschäften geben. Warum hätten sie sonst die Leiche an demselben Ort gelassen? Und ebenso, wenn es Selbstmord war.
Warum dort?
Sie versuchte, die Wirkung einzuschätzen, die Nestors Tod auf das haben könnte, was lächerlicherweise als ihre Karriere bezeichnet wurde. Coulthard würde wahrscheinlich befördert werden, und dann gäbe es kein Halten mehr für ihn. Eine düstere Vorahnung ergriff sie, als sie auf den Brotkasten blickte. Sie griff nach ihrem Mantel. Vielleicht war sie nur hungrig.
26
Berlin war so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie Doyle erst bemerkte, als er sich räusperte. Sie sah hoch, und er zeigte auf den leeren Stuhl an ihrem Tisch.
»Gestatten Sie?«
Sie blickte sich im Pellicci’s um. Es waren noch viele Plätze frei.
»Bitte.«
Er legte Mantel und Schal ab, hängte sie über die Rückenlehne des Stuhls und setzte sich. Nino brachte ihm Tee und Toast. Berlin sah zu und wartete.
Doyle nippte an seinem Tee. Er sah schrecklich aus. Sie dachte an Juliet Bravo und daran, wie sehr Juliet daran gelegen gewesen war, diesen Mann zu Fall zu bringen, wie sie Berlin bedrängt hatte, ihn um jeden Preis zur Strecke zu bringen. Ihren eigenen Vater. Berlin fragte sich, was er getan hatte, dass seine Tochter ihn so sehr hasste.
Doyle stellte seufzend die Tasse ab. »Ich habe meine Tochter zum letzten Mal gesehen, als sie sechzehn war, Miss Berlin.« Er sah zu ihr auf. »Sie heißen doch Berlin?«
»Woher wissen Sie, wer ich bin?«
»Ihre Firma leckt wie ein Sieb.«
Berlin war nicht überrascht und sah auch keinen Grund, empört zu tun oder rauszugehen.
»Ich bedaure Ihren Verlust, Mr. Doyle.«
»Ich danke Ihnen. Ich weiß das zu schätzen …« Er schien die Wahrheit zu sagen. Aber es war klar, dass er sich nicht hierhergesetzt hatte, um Höflichkeiten auszutauschen.
»Was kann ich also für Sie tun?«, fragte sie.
Doyle zögerte. »Wie war sie?« Sein Gesichtsausdruck war weich, verwundbar. »Gina, meine ich.«
Berlin war verblüfft. Das war das Letzte, was sie von ihm erwartet hätte. »Ich … äh, sehen Sie, ich kannte sie kaum. Sie war meine Informantin, eine Undercover…«
»Ich weiß, was das bedeutet.« Er streckte den Arm über den Tisch und umklammerte ihren Unterarm. Das war keine Drohung, sondern eine Bitte. »Miss Berlin, ich weiß, dass sie mich verpfiffen hat. Sie haben sich bestimmt gefragt, was ein Vater getan haben kann, dass seine Tochter so etwas tut.«
Wieder war sie überrascht, diesmal von seinem Scharfblick.
»Ich glaube, ich kenne den Grund«, fuhr er fort. »Sie hat mir immer die Schuld dafür gegeben. Bestimmt hat sie gedacht …«
Er brach ab. Berlin fühlte seine feuchte Hand durch ihren Ärmel.
»Sie dachte, ich wäre schuld.« Er zögerte. »Dass ihre
Weitere Kostenlose Bücher