In jenem Sommer in Spanien
schwanger werden würde.
„Jetzt zu überlegen, was gewesen wäre, wenn … hat keinen Sinn“, meinte Gabriel. Doch dann holte ihn erneut sein schlechtes Gewissen ein. Damals hatte er gedacht, es sei nur zu Alex’ Bestem, wenn er sie verließ. Sie war jung, gerade erst mit der Schule fertig, auf jeden Fall nicht erfahren genug, um eine feste Beziehung einzugehen. Wahrscheinlich wollte sie das auch gar nicht, schon gar nicht mit einem Typen, den sie nicht einmal richtig kannte. Sie war ein Freigeist, der noch seinen eigenen Weg suchte. Er dagegen bewegte sich schon lange auf der Karriereleiter aufwärts, als einziges Kind seiner Eltern darauf programmiert, ihre unausgesprochenen Erwartungen zu erfüllen. Nun stellte er sich vor, wie schlimm es für Alex gewesen sein musste, so jung schwanger zu sein und allein gelassen zu werden. Diesen Gedanken wurde er einfach nicht mehr los.
„Ich gestehe, dass ich meine Notlüge vielleicht nicht bis in die letzte Konsequenz durchdacht habe. Es tut mir leid.“
„Oh, vielen Dank für diese nachträgliche Entschuldigung“, erwiderte Alex sarkastisch. „Wenigstens hat meine Familie mich aufgefangen. Aber mir ist bald klar geworden, dass ich mir eine Arbeit suchen muss, und dafür kam vor allem London in Betracht. Also bin ich erst einmal zu einer Freundin gezogen, und dann habe ich das Haus hier gefunden.“ Alex war froh, dass sie diese traumatische Zeitspanne in zwei Sätze fassen konnte, ohne durchblicken zu lassen, wie gestresst und erschöpft sie oft gewesen war.
„Und dann bist du mir zufällig wieder über den Weg gelaufen“, sagte Gabriel, um schnellstmöglich vom Thema Unterkunft abzulenken. Er wollte nicht schon jetzt sagen müssen, dass er es unerträglich fand, dass sein Sohn in so beengten Verhältnissen lebte, die schon für eine Person nicht ausreichten.
„Dich wiederzusehen war ein Schock“, gab Alex zu. „Aber du scheinst das alles ja ganz gut wegzustecken. Ich dachte, du wärst außer dir.“
„Das würde doch nichts bringen“, antwortete Gabriel, auch wenn es ihn größte Mühe kostete, sich zusammenzureißen. „Es würde auch nichts ändern: So oder so wäre das Leben, wie ich es bisher kannte, vorbei.“
Ihn so reden zu hören tat weh. Außerdem machte es jede noch so kleine Hoffnung auf ein Happy End zunichte.
„Sag mir eins, Alex, hättest du mich irgendwann wissen lassen, dass ich einen Sohn habe? Oder hätte ich es nie erfahren? Wärst du für immer aus meinem Leben verschwunden, wenn ich heute nicht zu dir ins Büro gekommen wäre?“
Alex errötete. An sich war sie ein wahrheitsliebender Mensch. Doch als sie bei ihrem unverhofften Wiedersehen auch gleichzeitig erfahren hatte, dass Gabriel bald heiraten würde … Nun, sie mochte wahrheitsliebend sein, aber selbstzerstörerisch war sie nicht.
„Ich verstehe“, sagte Gabriel leise.
„Nein, das tust du nicht.“
„Dann klär mich auf.“
„Wir … Wir leben in zwei verschiedenen Welten.“
Gabriel stimmte ihr nicht zu, sondern sah sie nur eindringlich an. Dabei brachte sie sein Blick irgendwie aus der Fassung. Unter der vordergründigen Kälte lag eine Leidenschaft, die eine merkwürdige Wirkung auf Alex ausübte. „Nach… nachdem du dich von mir getrennt hast, habe ich einfach weitergelebt.“
Gabriel runzelte die Stirn. Alex sprach bestimmt von einem anderen Mann. Wieso hatte er bloß davon ausgehen können, dass sie nur den Jungen hatte? Plötzlich traf ihn der Gedanke, dass Alex tatsächlich eine Beziehung haben könnte, wie der Schlag. „Gibt es einen Mann in deinem Leben?“, fragte er ganz direkt und sah sie forschend an.
„Nein!“
„Gut.“
„Was soll das heißen?“
„Dass ich es völlig unpassend finden würde, wenn du einen Freund hättest. Unter den Umständen, meine ich.“
Als sie das hörte, hätte Alex beinah vergessen, dass sie das Gespräch wie eine Erwachsene führen wollte. Am liebsten hätte sie diesem arroganten Mistkerl etwas an den Kopf geworfen! Doch dann riss sie sich zusammen. „Würdest du das bitte noch einmal wiederholen?“
„Ich fände es unpassend, wenn du eine Beziehung mit einem anderen hättest.“
„Aber du darfst natürlich eine Verlobte haben!“, rief Alex. Was dachte er sich eigentlich? Dass sie wie eine Nonne leben sollte, weil er nicht wollte, dass Luke Kontakt zu einem anderen Mann hatte?
„Du reagierst etwas überzogen.“
„Das tue ich nicht!“
„Ich bin nur ehrlich, Alex. Ich möchte einfach nicht, dass
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