In jenem Sommer in Spanien
Wiedersehen ließ die Gewissensbisse sofort wieder aufleben.
Jetzt drückte er ihr ein Taschentuch in die Hand und legte ihr spontan einen Arm um die Schultern. Die Berührung ging ihm durch und durch, und er dachte an nichts anderes mehr. So mit ihr dazustehen, kam ihm erschreckend vertraut vor. Wie oft hatte er sie früher so gehalten, ihre jungenhafte Gestalt gespürt, ihre kleinen festen Brüste, die gegen seinen Oberkörper drückten … Unwillkürlich verspürte er jetzt das Bedürfnis, ihr das Oberteil hochzuschieben. Der Wunsch war so stark, dass es ihm den Atem nahm. Die heftige Reaktion seines Körpers brachte ihn schließlich dazu, Alex loszulassen und einen Schritt zurückzutreten.
Sofort vermisste sie Gabriels Wärme. Dann tupfte sie sich die Augen ab und konnte gar nicht glauben, dass sie sich so vor ihm hatte gehen lassen.
„Wofür hältst du mich eigentlich?“, fragte er, nachdem er sich wieder auf das Sofa hatte sinken lassen. „Wie kommst du auf die Idee, dass ich vorhaben könnte, meinen Sohn zu verstecken?“
„Weil dich die Besuchsrechte nicht interessieren. Das bedeutet doch, dass du keinen Wert darauf legst, Luke regelmäßig zu sehen.“ Alex putzte sich die Nase und wünschte, sie hätte langes Haar, hinter dem sie ihr verweintes Gesicht verstecken konnte. „Mir ist klar, dass das alles ein schwerer Schock für dich sein muss, aber …“
„Ich werde meinen Sohn nicht im Stich lassen, nur weil er gerade nicht in meine Lebensumstände passt. Ich beabsichtige, meiner Verantwortung gerecht zu werden. Aber du hast recht, es ist ein Schock, und es wird eine enorme Umstellung sein.“ Seufzend fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar.
Alex sah ihn an und bekam ganz weiche Knie, als er ihren Blick eindringlich erwiderte. Das war genau die Art von Kontrollverlust, die sie vermeiden musste. „Bestimmt wird Cristobel es verstehen. Ich meine, es ist doch passiert, bevor du sie kennengelernt hast. Vielleicht wirst du ihr sogar leidtun.“
„Das glaube ich nicht.“
Alex glaubte es eigentlich auch nicht. Sie wollte Gabriel nur Mut machen, doch er hob abwehrend die Hand.
„Natürlich werde ich die neue Situation an die Öffentlichkeit bringen müssen. Angefangen bei meinen Eltern“, sagte er seufzend und sah schon ihre enttäuschten Gesichter. Sie betrachteten es als ihre heilige Pflicht, ihn mit Cristobel zu verheiraten. Die bevorstehende Feier wurde seit Monaten geplant und die Gästeliste immer länger. „Und dann wäre da noch Cristobel. Zweifellos werde ich die Hochzeit absagen müssen.“
„Wie meinst du das?“
Gabriel überlegte, ob sie wirklich so naiv war. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich meinen Sohn unter diesen Bedingungen aufwachsen lasse?“
„Was denn für Bedingungen?“
„Na, in diesem Haus zum Beispiel.“
„An unserem Zuhause ist doch nichts auszusetzen. Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie hart ich arbeiten muss, um mir das leisten zu können?“
„Ja, und damit komme ich ins Spiel. Du kannst dich jetzt zurücklehnen.“
„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Gabriel. Wie hast du das gemeint, dass du die Hochzeit absagen willst?“
„Ich habe jetzt ein Kind, und das soll nicht unehelich aufwachsen. Da brauchst du nur eins und eins zusammenzuzählen.“
„Willst du mich etwa heiraten?“
„Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Du vielleicht?“
Alex hatte das Gefühl, als legte sich ihr ein tonnenschwerer Felsbrocken auf die Brust. Vor fünf Jahren hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als einen Heiratsantrag von diesem Mann – aus Liebe. Ohne zu zögern, hätte sie sogar ihr Studium in den Wind geschrieben. Aber jetzt, Jahre später, schlug ihr Gabriel die Ehe vor – weil er keinen anderen Ausweg sah. Erwartete er dafür etwa auch noch Dankbarkeit? Hoffentlich nicht. Denn das war das Letzte, was sie im Augenblick empfand.
„Nur, um sicherzustellen, ob ich es richtig verstanden habe: Du willst also deine Verlobung mit Cristobel lösen, um mich zu heiraten, weil ich zufällig die Mutter deines Sohnes bin, von dem du bisher gar nichts gewusst hast?“
„Wie ich schon sagte, eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.“ Dabei brachte ihn diese Vorstellung weit weniger aus der Ruhe, als er erwartet hatte. Normalerweise hinterfragte er sein Handeln nicht, weil es zu nichts führte. Aber jetzt kam ihm doch der Gedanke, dass seine Wahl nur auf Cristobel gefallen war, weil ihm seine Eltern unterschwellig Druck
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