In jenem Sommer in Spanien
manchen gesehen, dessen Haar immer dünner und dessen Bauch immer dicker wurde. Gabriel würde da eine ganz andere Figur abgeben.
Noch vor wenigen Wochen hätte sie sich nicht einmal vorstellen können, dass er seinen Sohn zu einer solchen Veranstaltung begleitete. Aber jetzt, nachdem er sich so ins Zeug gelegt hatte, um seine Beziehung zu Luke zu festigen, ließ er es sich bestimmt nicht nehmen.
Ja, für seinen Sohn würde er inzwischen Berge versetzen, aber für sie? Damit sie bei einer Eheschließung mit ihm nicht zu kurz kam, müsste sie vorher auf jeden Fall ein, zwei grundsätzliche Dinge klären …
Nach der Landung in London hatte Alex das Gefühl, sie sei nach kurzem Freigang direkt wieder in die Zelle gesperrt worden. Auch Luke ließ den Kopf hängen und erzählte nicht mehr aufgeregt von der Insel, sondern sagte nur noch hin und wieder, wie schade es sei, dass sie jetzt nicht mehr an den Strand könnten, dass sein Drachen hatte da bleiben müssen und dass das riesige Haus von Oma und Opa auch so weit weg war. Als Alex ihn aufzumuntern versuchte, indem sie darauf hinwies, dass er dafür am Montag wieder in den Kindergarten ginge und am Abend sein Lieblingsessen „Fish and Chips“ bekommen könnte, fiel die Reaktion mäßig aus. Nur das Versprechen, später Gabriel anzurufen, stieß auf echte Begeisterung. Auch Alex wollte sich am liebsten sofort bei ihm melden, und sobald sie zu Hause ankamen und Luke seine Lieblings-DVD guckte, wählte sie Gabriels Nummer.
Gabriel wollte gerade das Büro verlassen, als er Alex’ hereinkommenden Anruf sah. Ohne mit der Wimper zu zucken, teilte er seiner Sekretärin mit, sie solle das bevorstehende Meeting absagen. Dann lehnte er sich in seinem Ledersessel zurück, drehte sich zum Fenster mit Blick auf einen grauen Himmel und einige Hochhausdächer, und nahm das Gespräch entgegen.
„Hallo?“
„Störe ich?“
Gabriel war überrascht, wie sehr er es genoss, Alex’ Stimme zu hören. „Mein Terminkalender ist übervoll“, meinte er dann aber, damit sie nicht davon ausging, sie könnte mal eben anrufen, und er hätte Zeit für sie. Die Arbeit ging stets vor. Darauf begründete sich sein Erfolg. Frauen hatten da schon immer zurückstehen müssen. Dass er soeben sein Führungsebene-Meeting für ein Telefonat mit Alex abgesagt hatte, bezeugte, dass sie einen ganz besonderen Platz einnahm: als die Mutter seines Sohnes.
„Wie geht es Luke? Vermisst er mich?“ Und bevor sie darauf antworten konnte, fuhr er mit leiser heiserer Stimme fort: „Und du, vermisst du mich auch? Wäre es dir peinlich, wenn ich sage, dass ich gestern Abend eiskalt duschen musste, um dich aus meinem Kopf zu verbannen?“
Alex errötete, und die Sehnsucht wurde körperlich spürbar. Aber dadurch ließ sie sich nicht zu einem stammelnden Etwas reduzieren. Sie dachte an Cristobel und ihren Überraschungsbesuch. Hatte die kleine Blonde die Wahrheit gesagt? Gehörte Gabriels Herz immer noch ihr? Aber hätte er dann seine Verlobung mit Cristobel gelöst?
„Übrigens, ich bin wieder in London.“
Gabriel lächelte zufrieden. Das konnte nur bedeuten, dass sie sich ohne ihn einsam fühlte. Auch wenn er keine klammernden Frauen mochte, stellte er überrascht fest, dass er Alex nicht dazu zählte.
„Wo denn in London?“
„Na, wo wohl? Bei mir zu Hause natürlich.“
„Daran müssen wir auch noch etwas ändern …“
„Ich würde gerne mit dir sprechen, aber nicht am Telefon. Kannst du dich heute Abend irgendwann freimachen?“
„Ich kann sofort kommen.“
„Was ist denn mit deinem vollen Terminkalender?“
„Du wärst erstaunt, wie flexibel sich manche Termine handhaben lassen.“
„Nein, jetzt passt es mir noch nicht.“ Denn das war ihr dann doch zu plötzlich. „Ich muss erst einmal ein paar Sachen erledigen.“
„Was denn für Sachen?“ Gabriel runzelte die Stirn. Mit dieser Ausrede war ihm noch keine Frau gekommen.
„Ich muss Luke fürs Bett fertig machen, außerdem auspacken, duschen, Haare waschen … Komm doch so gegen sechs Uhr dreißig. Dann kannst du noch ein bisschen Zeit mit Luke verbringen, und danach können wir … uns unterhalten. Ich mache etwas zu essen. Obwohl ich gar nicht weiß, was ich noch im Kühlschrank habe … Oh, nichts. Vielleicht könntest du etwas mitbringen?“
„Okay.“
„Willst du gar nicht wissen, was?“
„Was zu essen. Das kriege ich schon hin.“
„Gut.“ Sie widerstand der Versuchung, ihn zu fragen, ob er überhaupt wusste, wo
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