In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
ich beginnen soll«, sagte sie.
»Am Anfang«, erklärte er. »Das funktioniert immer am besten. Denken Sie darüber nach, erzählen Sie’s mir beim Kaffee. So viel Zeit haben wir.«
Sie schüttelte den Kopf. Starrte durch die Windschutzscheibe, den Blick starr auf das in der Hitze flimmernde Asphaltband gerichtet. Sie schwieg etwa eine Meile lang, was bei Tempo siebzig knapp eine Minute bedeutete.
»Nein, die haben wir nicht«, bemerkte sie. »Diese Sache ist wirklich dringend.«
Fünfzig Meilen südwestlich von Abilene, auf einer wenig befahrenen Landstraße zehn Meilen nördlich der Ost-West-Fernstraße, wartete der Crown Victoria am Straßenrand. Sein Motor tuckerte im Leerlauf. Die entriegelte Motorhaube stand zur besseren Kühlung eine Handbreit offen. Auf allen Seiten war das Land so extrem flach, dass die Erdkrümmung daran zu erkennen war, wie das dürre, ausgetrocknete Buschwerk langsam zum Horizont hin abfiel. Da hier kein Verkehr herrschte, waren die einzigen Geräusche das leise Tuckern des im Leerlauf arbeitenden Motors und das tiefe Summen des Erdreichs, das sich in der Sonnenglut aufheizte und rissig wurde.
Der Fahrer hatte den elektrischen Außenspiegel so verstellt, dass er die gesamte Straße hinter sich beobachten konnte. Die Staubfahne des Crown Vic hatte sich gelegt, sodass die Sichtweite etwa eine Meile betrug – bis dorthin, wo Asphaltband und Himmel aufeinander trafen und sich in flimmernden Luftspiegelungen auflösten. Der Fahrer behielt diesen in der Ferne schimmernden Punkt im Auge, bis dort die zunächst undeutlichen Umrisse eines anderen Wagens auftauchten.
Ihm war bekannt, welches Auto das sein würde. Man hatte das Team gut eingewiesen. Es würde ein weißer Mercedes sein, mit dem ein Mann zu einem sehr wichtigen Termin unterwegs war. Der Mann würde schnell fahren, weil er spät dran – weil er immer zu spät dran war. Da sie wussten, wann er den Termin hatte, und auch, dass sein Ziel dreißig Meilen von hier entfernt lag, konnten sie sich leicht ausrechnen, wann er auftauchen würde. Und dieser Zeitpunkt kam jetzt rasch näher.
»Also dann los!«, rief der Fahrer.
Er stieg aus, ging nach vorn und drückte die Motorhaube zu. Glitt wieder hinters Steuer und ließ sich von der Frau eine Baseballmütze geben: eine der drei Mützen, die sie von einem
fliegenden Händler auf dem Hollywood Boulevard für dreizehn Dollar fünfundneunzig pro Stück erstanden hatten. Sie war dunkelblau und trug über dem Schirm die maschinengestickten großen weißen Buchstaben FBI. Der Fahrer setzte die Mütze auf, zog den Schirm tief ins Gesicht. Stellte den Schalthebel auf D und ließ seinen Fuß auf dem Bremspedal. Beugte sich leicht nach vorn und starrte in den Außenspiegel.
»Exakt pünktlich«, sagte er.
Die silberne Luftspiegelung flimmerte und waberte, dann löste sich etwas Weißes aus ihr und schoss auf sie zu wie ein aus dem Wasser springender Fisch. Das weiße Etwas stabilisierte sich, nahm deutlichere Umrisse an, kam tief auf die Straße geduckt herangerast. Ein weißer Mercedes, Breitreifen und dunkel getönte Scheiben.
Der Fahrer nahm den Fuß vom Bremspedal, und der Crown Vic begann durch den Staub zu kriechen. Als der Mercedes noch hundert Meter entfernt war, gab er etwas Gas. Der Mercedes röhrte an ihnen vorbei, und der Crown Vic fuhr in den heißen Gluthauch seines Fahrtwinds hinaus. Der Fahrer fasste das Lenkrad fester, trat das Gaspedal durch und lächelte dabei schmallippig. Das Killerteam war wieder mal im Einsatz.
Der Mercedesfahrer bemerkte die in seinem Rückspiegel aufleuchtenden Scheinwerfer, sah genauer hin und erkannte die Limousine hinter sich. Auf den Vordersitzen waren zwei Silhouetten mit Mützen zu erkennen. Er sah automatisch auf seinen Tacho, der über neunzig anzeigte. Scheiße, dachte er, nahm den Fuß vom Gas, während er überlegte, wie viel Verspätung er schon hatte und wie weit er noch fahren musste und was diesen Kerlen gegenüber die beste Taktik wäre. Unterwürfigkeit? Oder besser Ich-bin-zu-wichtig-um-belästigt-zu-werden ? Oder lieber die kumpelhafte Methode mit Kommt-schon-Jungs-ich-arbeite-schließlich-auch ?
Die Limousine setzte sich links neben ihn, als er langsamer wurde. Er sah drei Leute, darunter eine Frau. Der Wagen war mit Funkantennen gespickt. Keine Blinkleuchten, keine Sirene. Keine gewöhnlichen Cops. Der Beifahrer bedeutete ihm, er solle rechts ranfahren. Die Frau hielt ihren Dienstausweis an die Seitenscheibe gepresst.
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