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In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Eigentlich nicht. Mit sechseinhalb Jahren hatte er ein Zigeunerleben geführt. Er hatte von seiner Geburt an so gelebt, war von einem Standort, von einem Militärstützpunkt zum anderen gezogen, um die ganze Welt. Er erinnerte sich an Tage, an denen er aufgestanden war, um in die Schule zu gehen, und stattdessen zu einem Flughafen gefahren wurde, um dreißig Stunden später auf der anderen Seite des Planeten zu landen. Er erinnerte sich daran, wie er müde und verwirrt in miefig riechende Bungalows gestolpert war und in ungemachten Betten geschlafen hatte. Am nächsten Morgen hatte seine Mutter ihm dann erzählt, in welchem Land, auf welchem Kontinent sie sich befanden. Falls sie es selbst schon wusste. Und das alles hatte ihm nicht geschadet.
    Oder vielleicht doch?
    »Es ist einzig und allein Ihre Entscheidung«, sagte er.
    Sie schloss leise Ellies Tür.
    »Jetzt zeige ich Ihnen, wo ich die Pistole versteckt habe. Sie müssen mir sagen, ob es ein gutes Versteck ist.«
    Sie ging vor ihm her den Korridor entlang. Die Klimaanlage brummte laut. Carmen trug hohe Absätze, die ihre Beinmuskeln streckten. Ihr langes Haar fiel ihr bis über die Schultern
und verschmolz mit dem schwarzen Muster auf ihrem roten Kleid. Sie wandte sich erst nach links, dann nach rechts und ging unter einem Bogen hindurch. Vor ihnen lag eine weitere nach unten führende Treppe.
    »Wohin gehen wir?«, fragte er.
    »In den Seitenflügel«, antwortete sie. »Er ist später angebaut worden. Von Sloops Großvater, glaube ich.«
    Die Treppe führte zu einem langen, schmalen Flur im Erdgeschoss, an dessen Ende eine Suite lag. Sie war so groß wie ein kleiner Bungalow. Reacher sah ein Ankleidezimmer, ein geräumiges Bad, ein Wohnzimmer mit einem Sofa und zwei Sesseln. In die Rückwand des Wohnzimmers war ein weiterer Bogen eingelassen. Dahinter lag ein Schlafzimmer.
    »Dort drinnen«, sagte sie.
    Sie durchquerten das Wohnzimmer und traten in das Schlafzimmer.
    »Sehen Sie, was ich meine?«, fragte sie. »Wir sind weit vom übrigen Haus entfernt. Niemand hört etwas. Und ich bemühe mich ohnehin, nicht zu schreien. Schreie ich, schlägt er umso fester zu.«
    Er nickte und sah sich um. Hinter dem Fliegengitter des nach Osten liegenden Fensters zirpten Myriaden von Insekten. In Fensternähe stand ein großes französisches Bett mit zwei Nachttischen, zu denen eine am Fußende stehende brusthohe Kommode mit vielen Schubladen passte. Alle drei Möbelstücke schienen vor etwa hundert Jahren aus einer Art Eichenholz angefertigt worden zu sein.
    »Texanisches Eisenholz«, sagte sie. »Man gewinnt es, indem man Mesquite wachsen lässt.«
    »Sie hätten Lehrerin werden sollen«, meinte er. »Sie erklären immer alles.«
    Sie lächelte vage. »Daran habe ich auf dem College mal gedacht. Damals wäre das möglich gewesen. In meinem anderen Leben.«

    Sie zog die oberste rechte Schublade auf.
    »Ich hab Ihren Rat beherzigt und die Waffe anderswo versteckt«, sagte sie. »Der Nachttisch war zu niedrig. Ellie hätte sie finden können. An diese Schublade reicht sie noch nicht heran.«
    Er nickte wieder und trat näher. Die ziemlich hohe Schublade war gut einen halben Meter breit und über sechzig Zentimeter tief. Carmen bewahrte darin ihre Unterwäsche auf. Die Pistole lag oben auf ihren Sachen, die, ordentlich zusammengelegt, aus Seide, durchsichtig und mit Spitzen besetzt waren.
    »Sie hätten mir auch sagen können, wo sie liegt«, meinte er.
    Sie schwieg einen Augenblick.
    »Er wird Sex wollen, nicht?«, fragte sie.
    Reacher gab keine Antwort.
    »Nach anderthalb Jahren Gefängnis«, sagte sie. »Aber ich werde mich weigern.«
    Reacher sagte nichts.
    »Das ist das Recht einer Frau, stimmt’s? Sich zu weigern.«
    »Natürlich.«
    »Auch wenn die Frau verheiratet ist?«
    »In den meisten Ländern«, sagte er.
    »Und es ist auch ihr Recht, Ja zu sagen, oder?«
    »So ist es«, antwortete er.
    »Zu Ihnen würde ich Ja sagen.«
    »Ich frage Sie aber nicht.«
    Sie machte eine Pause. »Dann ist es also okay, wenn ich Sie frage?«
    Er hielt ihrem Blick stand. »Kommt auf den Grund an, denke ich.«
    »Weil ich’s will«, sagte sie. »Ich will mit Ihnen schlafen.«
    »Warum?«
    »Ehrlich?«, fragte sie. »Einfach weil ich Lust habe.«

    »Und?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Und weil ich Sloop insgeheim eins auswischen will. In meinem Herzen.«
    Er sagte nichts.
    »Bevor er zurückkommt.«
    Er sagte nichts.
    »Und weil Bobby sowieso glaubt, dass wir’s tun«, sagte sie.

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