In Liebe verführt
Lügen mehr.
Er wusste, was in Toulon getan werden musste. Und er wusste auch wie, von den frühesten Stadien, in denen Meg ihre eigene Wohnung haben würde und ihre Wege sich Napoleon näherten, bis zum Höhepunkt der Mission. Selbst ihre Fluchtroute war bis in die letzte Einzelheit geplant. Und er traute sich zu, eine Lösung für alles Unvorhergesehene zu finden, was seine Pläne erfahrungsgemäß stets durchkreuzen könnte. Bis auf einen Punkt. Wenn Meg sich weigerte, mit ihm zusammenzuarbeiten.
»Ich bin sicher, dass Monsieur Devereux einen schönen Abend hatte«, sagte er friedfertig. »Man hat ihn vielleicht an der Fortsetzung gehindert, die er sich vorgestellt hatte. Doch das ist ja so oft das Schicksal der Männer.« Er seufzte schwer und bekam die Belohnung dafür – ein herzliches Lachen seiner Begleiterin.
»Von Frauen auch«, gluckste sie. »Und ich würde wetten, Cosimo, dass mehr Frauen als Männer unzählige Stunden ihres Lebens damit verbringen, darauf zu warten, dass irgendein Mann ihnen ein Angebot macht, sie besucht oder nur seine Karte bei ihnen abgibt.«
»Ich glaube nicht, dass wir uns über die verschiedenen Frustrationen der Geschlechter streiten werden«, sagte er und lachte. »Ich habe vor, die Nacht in einem kleinen Dorf in der Nähe von Miramas zu verbringen. Dort gibt es eine brauchbare Herberge. Morgen müssen wir dann einen Umweg durch die Berge machen, um Marseille zu umgehen. Aber die Straße ist weitaus frequentierter als die durch die Laucune und außerdem nicht so hoch gelegen.«
»Was immer du sagst«, erwiderte Meg. Sie war fasziniert davon, wie gut sich Cosimo in den Gegenden auskannte, die sie während der letzten Wochen durchquert hatten. Er war fast in jeder der Herbergen schon einmal gewesen, und sie hatten nicht ein Mal einen falschen Weg eingeschlagen. Sie hatte ihn am Anfang gefragt, wie oft er diese Reise schon gemacht habe, doch darauf hatte er eine eher vage Antwort gegeben. Damals war sie damit zufrieden gewesen, und die Härten der Reise hatten das Thema zudem uninteressant werden lassen. Doch jetzt, da sie sich dem Ende ihres Abenteuers näherten, wurde die Frage wieder interessant. Also fragte sie ihn noch einmal.
Er fasste die Zügel kurz, als ein Kaninchen genau vor den Hufen seines Pferdes über die Straße schoss. Der Wallach tänzelte rückwärts und schüttelte den Kopf, die Trense klirrte. »Ich bin nicht jedes Mal dieselbe Route gereist«, sagte Cosimo und beugte sich vor, um das Pferd mit einer Hand am Hals zu tätscheln, damit es sich beruhigte.
»Und doch weißt du über alle Herbergen Bescheid?«
»Nicht über alle«, korrigierte er.
Meg saugte an ihrer Unterlippe. »Ich weiß, dass du ein Spion bist, Cosimo. Ich weiß auch, dass du ein Kurier bist. Und ein Freibeuter. Aber warum gibst du keine klare Antwort auf eine klare Frage? Du hattest nicht erwartet, diese Nachrichten quer durchs Land von Bordeaux nach Toulon zu bringen, und doch weißt du ganz genau, welche Route du dafür nehmen musst. Wie ?«
Cosimo erkannte, dass die Wahrheit unvermeidlich war. Er hatte sich innerlich darauf vorbereitet, es am Abend zu tun, doch wegen dieser Frage musste es jetzt sein. Hier inmitten der Landschaft, wo er keine Requisiten zur Hilfe einsetzen konnte und nichts hatte, das ihre Aufmerksamkeit ablenken könnte. Möglicherweise war es auch besser so. Schmutzige Geheimnisse, sauber ans klare Tageslicht gebracht, ohne irgendwelche Kunststücke.
»Ich werde es dir erzählen, aber nicht beim Reiten.« Er hob die Peitsche und deutete über ein Feld in eine Richtung, wo ein Rauchwölkchen in das tiefe Blau des Himmels hinaufstieg. »Wir reiten dort hinüber, wo es Wasser für die Pferde gibt und wir uns eine Weile ausruhen können, bevor wir weiterreiten.«
»Ich hätte auch nichts dagegen, mir die Beine ein wenig zu vertreten«, sagte Meg und versuchte, das Unbehagen hinunterzuschlucken, das wie Galle in ihre Kehle aufstieg. Warum war sie sich so sicher, dass etwas Unangenehmes geschehen würde?
Sie ritten quer über das Feld, und Megs Stute, die sonst nie gern artig in einer Reihe ging, trabte diesmal ordentlich mit der Nase am Schweif von Cosimos Wallach dahin. Am Ende des Feldes, das an einen Weiler grenzte, gelangten sie zu einem schmalen Bächlein, das eigentlich kaum mehr als ein mit Wasser gefüllter Graben war. Cosimo stieg ab, tauchte einen Finger in den Graben und leckte an der Fingerspitze. »Es ist brackig«, verkündete er. »Kommt
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