In Liebe verführt
beschützt. Sonst nichts.« Er trat näher ans Bett. »Stell dir vor, wie viele Leben gerettet werden können, indem nur dieses eine verloren geht.«
Diese Logik hatte etwas Bestechendes. Aber er verlangte von ihr, dass sie einen Mann verführen und ihn damit in den Tod locken sollte. Kaltblütig. Der Tod im Kampf war schrecklich, aber… Sie dachte an den kurzen und relativ sauberen Kampf auf See, den die Mary Rose mit der französischen Fregatte ausgetragen hatte. Sie erinnerte sich an die Schmerzensschreie des verletzten Matrosen, dem die Kanone die Brust eingedrückt hatte. Sie erinnerte sich an das Blut aus Wunden von etwas so einfachem wie einem dicken Splitter. Es war nicht schwer, sich die Zustände in einer richtigen Seeschlacht vorzustellen. Und aus der antiken Geschichte hatte sie gelernt, sich Schlachtfelder vorzustellen.
Doch trotz dieser ganzen Logik schrak alles, was sie war, alles woran sie je geglaubt hatte, davor zurück, auf diese Art für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein. »Das kann ich nicht tun«, stellte sie nochmals fest und wandte das Gesicht vom Licht ab.
Cosimo sagte im Augenblick nichts, dann bückte er sich und hob sein Hemd und die restlichen Kleider auf. »Die Entscheidung war und bleibt die deine, Meg.« Er verließ das Zimmer und löschte die Kerze im Hinausgehen.
Meg warf die Decke zurück und sprang aus dem Bett. Sie ging zum Fenster und öffnete den Fensterladen. Der Mond versank allmählich am Horizont. Sie konnte so etwas nicht tun… einen Mann zu Tode bringen. Sie konnte es einfach nicht.
Aber Cosimo würde es trotzdem tun. Mit oder ohne sie. Das wusste sie, ohne ihn zu fragen. Und sie würde irgendwo warten, bis er seine Mission beendet hatte, sich dann wieder mit ihm treffen, um zur Mary Rose zu fahren und dann vergnügt nach England zurückzusegeln.
Und wie in aller Welt sollte sie das fertig bringen?
Meg schüttelte den Kopf über ihre eigene Dummheit. Sie wollte herumsitzen und Däumchen drehen, während Cosimo ein Attentat auf Napoleon Bonaparte verübte? Um sich danach auf dem Heimweg fröhlich mit ihm zu versöhnen?
Wie sollte er seine Mission ohne sie denn zu Ende bringen?
Er hatte bestimmt einen Plan für diesen Fall, sagte sie sich. Und was, wenn es keine Alternative gab? So wie er es ihr erklärt hatte, war es ihre Rolle, dafür zu sorgen, dass er entkommen konnte – oder wenigstens die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Wie würde er das ohne sie bewerkstelligen?
21
Am nächsten Tag waren beide wortkarg auf ihrem Ritt durch die mit Olivenhainen gesprenkelte Berglandschaft der Chaine de l’Étoile oberhalb von Marseille. Das tiefe Blau des Golfs von Marseille glitzerte in der Ferne unter ihnen, und die heiße, trockene Luft der Provence war erfüllt mit dem Duft der Kräuter, die unter den Hufen ihrer Pferde zerdrückt wurden. Sie ritten durch kleine Dörfer mit weiß gekalkten Häusern, deren Dächer unter dem Licht der Sonne rot leuchteten, und riesige Bougainvillen blendeten das Auge mit ihren intensiven Blütenfarben. Sie ritten durch Weinberge mit sandiger Erde, in denen die niedrigen, knotigen Weinstöcke mit Sorgfalt von Bauern gepflegt wurden, deren Haut die Sonne tief gebräunt hatte.
Als der Nachmittag dem Abend wich, begannen sie den Abstieg zur Küste. Meg war todmüde nach dem achtstündigen Ritt, doch eigentlich hielt sie ihre Erschöpfung eher für seelisch als für körperlich. Das angespannte Schweigen zwischen ihnen lastete wie ein Felsbrocken auf ihr, und ihre Gedanken schienen so wirr, dass es nicht das kleinste Quäntchen Klarheit darin gab.
Ihr musste unbedingt etwas einfallen, wie sie aus dieser Situation herauskommen konnte, und zwar so, dass sie Cosimo nicht endgültig verlor. Sie brauchte seine Hilfe, um wieder nach Hause zu kommen. So sehr sie nach allen Himmelsrichtungen überlegte, kam sie immer wieder nur zu diesem einen Schluss. Sie befand sich mitten im Land des Feindes, also gab es keine Möglichkeit für sie, unabhängig zu handeln. Das zu wissen frustrierte sie maßlos und trug zu ihrer körperlichen Erschöpfung bei.
Cosimo war sich dessen bewusst. Er erkannte ihre Müdigkeit an der Haltung ihrer Schultern und der Art, wie sie den Kopf schräg legte. Untypischerweise wusste er nicht, wie er die Wand überwinden sollte, die sie zwischen ihnen aufgerichtet hatte. Er war noch nicht bereit aufzugeben. Er hatte realistischerweise nur noch eine Chance, sie zu der Mission zu überreden. Er konnte sich nicht
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