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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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den Raum verlassen. Das Fest kam ihm ohne sie grauer und uninteressanter vor. Er hatte so viele Fragen an sie. Wichtige Fragen für die Ermittlungen, redete er sich ein.
    »Oksana!« Mit feuchtglänzenden Augen und roten Wangen rief Olga so laut nach ihr, dass es alle im Raum mitbekamen – und Olga stand so dicht neben Knut, dass es ihm peinlich war. Die Unterhaltungen verstummten für einige Sekunden. Die Leute hörten zu.
    »Oksana, es sind dreizehn Leute im Zimmer. Du bist die Letzte gewesen, die hereingekommen ist. Das bedeutet Unglück.«
    Oksana stand am Fenster und redete mit dem Riesen Anton. Von allen Russen, von denen Knut seit seiner Ankunft in Barentsburg gehört hatte, war er der einzige, bei dem kein Familienname genannt worden war. Anton, der Verwandte von Vanja.
    Oksana rief zurück: »Olga, du irrst dich. Ich war vor dir hier, musste nur mal einen Augenblick raus, um Zigaretten zu holen. Der Polizist ist als Letzter gekommen. Außerdem bedeuten dreizehn Personen in einem Raum nicht Unglück. Es bedeutet Tod – für einen der Anwesenden.« Sie zuckte die Achseln, drehte sich um und tauchte wieder unter den Gästen unter. Igor Grigorowitsch redete lange mit Olga. Man musste kein Russisch verstehen, um zu hören, dass er wütend war.
    Einer der Bergarbeiter hatte eine Art Gitarre mit einem langen Hals und nur drei Saiten geholt. So gut es sich machen ließ, wurde mitten im Zimmer Platz für ihn geschaffen. Er fing an zu spielen, klimperte und strich mit einem kurzen Bogen über die Saiten. Sang dazu klagend und melancholisch. Die Unterhaltungen erstarben. Die Leute setzten sich, wo immer es Platz gab, auf den Boden und wiegten sich mit halb geschlossenen Augen zur Musik. Einige sangen mit, allerdings leise.
    »Vlada spielt auf einer Domra.« Oksana tauchte plötzlich und unerwartet wieder neben ihm auf. »Wir haben eine im Museum, aber diese hat er selbst gebaut. Es ist ein altes Instrument aus der Pomorenzeit im 19. Jahrhundert. Das Lied, das er singt, heißt Nichjaka misjachna, das heißt in etwa ›Für einen Mond, der nachts am Himmel steht‹.«
    »Und worum geht es in dem Lied?« Knut flüsterte, um die wehmütige Stimmung nicht zu stören.
    »Um Liebeskummer.«
    Die Uhr zeigte zwei, und das Zimmer war nicht wesentlich leerer geworden. Knut spürte, dass er allmählich betrunken wurde. Er musste gehen, es war unverantwortlich zu bleiben. Im Übrigen hatte er Oksana seit einiger Zeit nicht mehr gesehen; es hatte keinen Sinn zu warten. Igor und Olga waren längst verschwunden, von den anderen im Raum kannte er niemand.
    Er saß auf dem Bett, lehnte den Kopf gegen die Wand und sammelte Kraft, um aufzustehen und in sein eigenes Zimmer zu gehen. Plötzlich saß sie wieder neben ihm. Vielleicht war er einen Moment eingeschlafen. Allmählich verließen die Gäste das Fest, eine ganze Gruppe stand an der Tür. Anton sah er nicht.
    Oksana blickte ihn an. »Ich habe Angst«, sagte sie leise. »Könntest du mich ein Stück nach Hause begleiten?«

KAPITEL 16 Die Krasin
    Der Kapitän kletterte das letzte kurze Stück der Leiter hinauf zur Brücke. Der Steuermann hörte die Schritte, drückte den Rücken durch und gab dem Rudergast einen vollkommen unnötigen Befehl. »Fahrt halten, drei Knoten. Wir haben’s nicht eilig. Die halten noch viele Stunden auf dem Eis aus.«
    »Alles in Ordnung?« Der Kapitän schlürfte heißen Kaffee aus einem Becher und stellte sich neben den Steuermann. Für eine Wachablösung war es noch zu früh, allerdings ging der Kapitän ohnehin keine regulären Wachen. Trotzdem kam er jeden Nachmittag – eine Stunde, nachdem man in der Offiziersmesse das Essen serviert hatte – auf die Brücke und blieb dort bis zum Abend. Er wollte auf dem Laufenden sein, obwohl seit vielen Tagen nichts Unvorhergesehenes passiert war. Die Fahrten mit Wissenschaftlern im Polarmeer waren einschläfernd langweilig. Es konnten Wochen vergehen, ohne dass das Schiff sich eine einzige Seemeile bewegte.
    »Irgendwelche Anordnungen?« Der Steuermann warf einen raschen Seitenblick auf den Kapitän.
    »Nein. Es wird wohl nichts. Ist noch immer nicht zu spät, aber …«
    Sie dachten beide dasselbe. Im Grunde alle drei – denn obwohl der Rudergast sich nicht an dem Gespräch beteiligte, hörte er doch genau zu, trotz des Knirschens der Eisschollen an der Schiffswand.
    Sie befanden sich siebenundachtzig Grad nördlich, und es war bereits Ende Oktober. Trotz des frühen Nachmittags erreichte das Tageslicht nicht

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