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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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verstehen. Fragen nach dem Schiff und seinen Absichten in Barentsburg mussten warten, bis es endgültig festgemacht hatte.
    Das Wasser um die Kaipfosten wurde von den kräftigen Propellern und Heck-Thrustern zu weißem Schaum aufgepeitscht. Der Kapitän tastete sich mit größter Vorsicht immer näher an die Anlegestelle heran. Endlich hatte er das Schiff in die richtige Position gebracht. Die Motorengeräusche wurden leiser. An der Seite öffnete sich eine Luke etwas unterhalb des Hauptdecks. Ein Seemann sprang auf den Kai und fing die großen Trossen, die ihm ein Matrose vom Deck zuwarf. Er war erst zufrieden, als das Schiff fest an vier Pollern vertäut lag.
    Vorsichtig wurde die Gangway vom Deck herabgelassen. Der Seemann befestigte sie mit einem dünnen Tau an einem der Eisenringe des Kais. Er sprang zurück in die Luke und schloss sie mit einem gellend metallischen Geräusch. Der Motorenlärm schwächte sich zu einem leisen Brummen ab. Der Riese dümpelte langsam in seinen selbst erzeugten Wellen. Der Rumpf rieb sich an den großen Gummifendern.
    Dann passierte so gut wie nichts mehr, abgesehen davon, dass der Matrose vom Deck verschwand. Enttäuschend und unerwartet wenig, meinten offensichtlich die Zuschauer am Kai, wenn Knut das leise Murmeln richtig deutete.
    Er zog die schwere Leinenjacke fester um sich, längst hatte er sich die Kapuze über den Kopf gezogen. Der Wind hatte aufgefrischt, es war beißend kalt. Mit dem feuchten Nebel von See kam auch die Kälte. Weißer Frost legte sich wie ein Belag auf die Kleider, das Gesicht und die Hände. Die Schaulustigen bewegten sich wie Geister umeinander, aber niemand schien den Anleger verlassen zu wollen.
    Knut ging das Schiff entlang. Er schloss sich einer kleinen Gruppe von Männern an, die sich den Achtersteven ansahen. Dicke Pelzkappen und Mützen verbargen die Gesichter. Er kannte niemanden. Von dem leisen Russisch verstand er nichts, aber offenbar lasen sie den Namen und den Heimathafen des Schiffes mit größerer Leichtigkeit als er.
    Langsam buchstabierte er sich durch die russischen Namen. Красин, das stand für »Krasin«. Für den nächsten Namen brauchte er länger, aber schließlich hatte er ihn entziffert. Владивостóк. Der Heimathafen war also Wladiwostok. Das hatte er nicht erwartet, Knut war regelrecht verblüfft. Was um alles in der Welt hatte ein Schiff von der anderen Seite des Globus hier auf Spitzbergen zu suchen?
    Und noch eine Überraschung. Als er über das ölschwarze, wogende Seewasser des Grønfjords blickte, konnte er die russischen Fischkutter nirgendwo entdecken. Der Fjord lag dunkel und leer vor ihm. Sie waren doch ausgelaufen. Wo hatten sie sich versteckt?
    Knut legte den Kopf in den Nacken und blickte hoch zu dem Schiffsdeck über sich. Ganz hinten befanden sich große Schiffskräne und ein kolossaler Portalkran. Darüber gab es ein solides Hubschrauberdeck, er konnte das Dach eines Hangars erkennen und einen Helikopter, der an Deck befestigt war. Knut ließ den Blick über den Rumpf gleiten. In kurzen Abständen zur Wasserlinie verliefen Luken, geeignet zum direkten Be- und Entladen der Laderäume.
    Er vermutete, dass es sich bei der »Krasin« um ein Forschungsschiff handelte. Wahrscheinlich mit der höchsten Eisklasse und gebaut, um tief ins Polarmeer vorzudringen. Nicht verwunderlich also, wenn der Kapitän so vorsichtig anlegte – der Abstand zwischen Kiel und Meeresboden betrug sicherlich nicht allzu viele Meter.
    Die Zuschauer am Kai verliefen sich. Selbst die Standhaftesten sahen ein, dass es keine Möglichkeit gab, an Bord zu kommen, bevor der Konsul das Schiff nicht in Barentsburg willkommen geheißen hatte. Knut ging den Menschen hinterher, stieg vorsichtig die Treppen zur Siedlung hinauf und zählte dabei unbewusst die Stufen. Es war ein zäher und kalter Aufstieg bis zum Platz.
    Er wollte in die Arbeiterkantine, um zu frühstücken. Starker schwarzer Tee, dunkles Roggenbrot und gesalzene Butter, ein paar eingelegte Gurken und gekochtes, gewürztes Fleisch. Aber keine eingelegten Eier, die verabscheute er. Wieso konnten sie die Eier nicht frisch servieren, wie in Longyearbyen? Auf diese Frage hatte der Dolmetscher gemurmelt, dass Grigótovit es so wünsche. Außerdem gäbe es viele, die den säuerlichen Geschmack der Kräuter-Essigmischung mochten, in die die Eier eingelegt waren.
    Knut hatte die Siedlung beinahe erreicht, als er plötzlich das wohlbekannte Klappern eines Rotorblatts hörte.

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