In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Zunächst schwach, dann immer lauter. Kein Zweifel, es handelte sich um einen Super-Puma. Das trockene Stakkato-Geräusch unterschied sich vollkommen von dem tiefen, fetten Brummen des weit längeren Rotorblatts eines MI-8. Erst jetzt, als er ein Gefühl der Erleichterung verspürte, verstand er, wie sehr er sich nach seinem eigenen Leben in Longyearbyen zurückgesehnt hatte. Die letzten Treppenstufen nahm er mit freudigen Sprüngen.
Der Bus mit den Passagieren des Flugplatzes fuhr allerdings nicht zum Hotel. Der Bus bog ab, bevor er das Hotel erreicht hatte, und hielt direkt auf das Konsulat zu. Hätte ich mir auch denken können , ging Knut durch den Kopf, trotzdem war er enttäuscht. So schnell er konnte, lief er die Anhöhe hinauf; seine Kleidungsstücke trug er in einer Plastiktüte bei sich, die er an der Rezeption gefunden hatte. Warum hatte man ihn nicht informiert? Es musste doch jedem klar sein, dass der Hubschrauber gekommen war, um ihn abzuholen.
KAPITEL 24 Unterströmungen
Knut Fjeld war nirgendwo zu sehen. Gut, er hatte sie nicht am Flugplatz empfangen, aber es war ja auch noch früh am Morgen. Anne Lise Isaksen hatte allerdings erwartet, ihn spätestens im Büro des Konsuls anzutreffen. Nur der Dolmetscher und der Konsul hatten sie empfangen, als der Hubschrauber landete. Sie waren ernst und dankbar, dass die Regierungsbevollmächtigte und ihr Stab so kurzfristig aus Longyearbyen hatte kommen können. Der Konsul entschuldigte sich vielmals. Das Eintreffen der »Krasin« käme unerwartet und wäre von ganz oben befohlen worden, erklärte er. Er kam ihr vertraulich näher. Von allerhöchster Stelle. Der tote Steiger war einer der wenigen noch lebenden Russen, die den Titel »Held der Russischen Föderation« trugen. Die Teilnahme der Regierungsbevollmächtigten würde beachtet werden, eine noble Geste zwischen guten Nachbarn in der Arktis.
Im Büro des Konsuls war Anne Lise Isaksen in den angebotenen Sessel versunken und hatte dankbar die Tasse Kaffee angenommen, die die füllige und stark geschminkte Sekretärin ihr reichte. Aber wo war der Polizeibeamte Fjeld? Sie wollte gerade nachfragen, als sie einen abgerissen aussehenden Russen bemerkte, der sie von der Tür her anstarrte – bärtig, dreckig und mit einer Plastiktüte in der Hand.
»Man hat mir nicht gesagt, dass du kommen würdest«, sagte Knut, ebenso überrascht wie sie. »Was machst du hier?«
»Knut!« Der Polizeichef sprang auf und kam auf ihn zu. »Um alles in der Welt … Hast du heute Nacht draußen geschlafen?« Er versuchte es mit einem Lächeln, aber der Polizeibeamte war nicht zum Scherzen aufgelegt.
»Heute Nacht hast du nichts davon gesagt, dass Anne Lise mitkommen wird. Du hast nur erklärt, dass ich abgeholt würde. Warum ist sie hier?«
Der Polizeichef senkte den Blick. »Nun ja …« Er wandte sich an den Dolmetscher. »Gibt es ein Büro, in das wir uns zurückziehen können?«
Knut spürte, wie sich seine Brust zusammenschnürte. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Warum mussten sie sich unter vier Augen unterhalten? Er lief Tom und dem Dolmetscher über die Treppe in das Sitzungszimmer im Obergeschoss nach. Erst als der Dolmetscher die Tür geschlossen hatte und sie allein waren, versuchte Knut dem Polizeichef mit einer möglichen Erklärung zuvorzukommen.
Tom unterbrach ihn. »Erst müssen wir über die illegale Fischerei reden, dann kannst du mich auf den Stand der Ermittlungen in dem Todesfall bringen. Wir haben nicht viel Zeit, der Rückflug ist direkt nach dem Mittagessen angesetzt. Ich bleibe hier nicht länger als notwendig. Es gehört einiges dazu, dass ich freiwillig und ohne unseren eigenen Dolmetscher nach Barentsburg fliege, aber ich hatte keine Wahl.«
Tom erklärte ihm kurz die Aktionen der Küstenwache rund um Spitzbergen, aber Knut hörte nicht zu. Ihm ging durch den Kopf, dass Tom gestern Morgen sein Handy angerufen und Oksana den Anruf entgegengenommen hatte. Das Gespräch hatte anderthalb Minuten gedauert. Worüber hatten sie geredet? Er musste ihn fragen und unterbrach das Briefing des Polizeichefs.
»Was?« Der Polizeichef sah ihn verdutzt an. »Wer ist Oksana? Nein, wer immer sie auch sein mag. Ich habe nicht mit ihr geredet.«
Knut glaubte ihm nicht. Tom verbarg etwas vor ihm. Was hatte Oksana in der kurzen Zeit sagen können? »Du hast gestern Morgen meine Mobilnummer angerufen? Daran wirst du dich doch wohl erinnern?«
»Ach so …« Tom machte ein verlegenes Gesicht. »Tut mir leid, dass
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