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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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Belegschaftsangelegenheiten der Grube einmischen.«
    Der Arzt drehte sich um und ging. Er ließ sie mitten auf der erleuchteten Straße stehen. Jeder hätte sie aus den dunklen Fenstern beobachten können, wurde ihm ängstlich klar, aber er hoffte, dass wenigstens niemand ihr Gespräch mitgehört hatte.
    Knut wusste, dass er ein Risiko einging, aber er sah keinen anderen Ausweg. Er musste sie direkt fragen: »Warst du an dem Abend, an dem dein Mann ermordet wurde, am Betonmischer? Du musst mir vertrauen, Oksana. Wenn du dort warst, musst du es mir erzählen.«
    »Nein. Ich war nicht dabei, als Vanja starb. Warum glaubst du mir nicht?« Ihre Augen vereisten. »Alle fragen und fragen … Was weißt du, Oksana? Was hast du gesehen? Ich habe nie geantwortet … nicht einmal Vanja, wenn er mich nach meiner Familie und dem Abend ausfragte, als sie ermordet wurde. Er hat nie aufgehört zu fragen.«
    »Heißt das, du kannst dich an etwas erinnern?« Knut mochte nicht glauben, dass sie ein solches Geheimnis mit sich herumschleppte, seit sie sechs Jahre alt war. »Und du hast es nie jemandem erzählt?«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf auf eine gehorsame, etwas kleinmädchenhafte Art. Strich sich kindlich übers Haar, lächelte mit weit aufgerissenen Augen. »Ljuda sagt, dass ich nichts sagen darf, auch wenn ich mich an etwas erinnere …«
    Ljuda … Ljudmila. Sie war überall und hatte bei den meisten Dingen ihre Finger im Spiel. Er empfand beinahe so etwas wie Eifersucht. Als hätte sie eine eiserne Kontrolle über Oksanas Leben. Knut wurde klar, dass es schwierig sein würde, etwas aus ihr herauszubekommen, solange sie in Barentsburg war. Er hatte einen Einfall.
    »Könntest du mich nicht nach Longyearbyen begleiten … im Hubschrauber der Regierungsbevollmächtigten? Du könntest dort auf den Festlandsflug warten. Das wäre doch möglich, oder?«
    Sie dachte darüber nach. In ihren Augen wechselten sich Hoffnung und Mutlosigkeit ab. Schließlich seufzte sie und wandte den Blick ab. »Ich kann nicht … Außerdem hat Ljuda mich gefragt, ob sie mich vielleicht begleiten soll … nach Hause.«
    Die Tür ging auf, und die Krankenschwester kam zurück. Sie trug ein Tablett mit zwei Kaffeetassen, kaltem Aufschnitt, einigen Scheiben Brot und einer kleinen Schale mit der grässlichen Mayonnaise herein. Die Auswahl hatte nichts mit der luxuriösen Mahlzeit zu tun, die Knut vor ein paar Tagen bei dem Direktor der Zeche eingenommen hatte.
    Die Schwester stellte das Tablett vorsichtig auf Oksanas Nachttisch, stemmte die Hände in die Seiten und blickte Knut barsch an. »Ist spät. Nach Hause gehen. Patient schlafen.« Dann ging sie, sicher, dass der Norweger ihr gehorchen würde.
    Knut wollte einen letzten Versuch wagen. Vorsichtig, vorsichtig, einen Umweg. Er musste sie zum Reden bringen, wie auch immer. Früher oder später würde sie sich verraten.
    »Was ist deine erste Erinnerung als Kind?«
    Ein Schatten zog über ihr Gesicht. Sie hielt den Atem an.
    Plötzlich lächelte sie. »Du zuerst. Erzähl eine Geschichte aus deiner eigenen Kindheit, die dir etwas bedeutet. Danach werde ich erzählen … das, was du wissen willst.«
    Von allen Dingen, um die sie ihn hätte bitten können – ihr die Möglichkeit zu verschaffen, nach Longyearbyen zu kommen, sich in Russland, der Ukraine oder wo auch immer zu treffen –, war dies sicherlich der Wunsch, den er am wenigsten erwartet hatte. Was um alles in der Welt sollte er aus seinem ganz gewöhnlichen Leben erzählen?
    »Tja, ich weiß nicht … Es ist seltsam, aber … an dem Abend, an dem ich dir begegnete, habe ich an meine Mutter gedacht.« Knut lächelte. Es war wirklich wahr. »Meine Mutter war so stark und gleichzeitig so klug. Ich komme von einem Hof aus einem abgelegenen Landstrich in Norwegen. Man hätte uns wohl arm nennen können. Obwohl es nie an Essen mangelte.« Er dachte, dies könnte ebenso gut die Einleitung ihrer eigenen Geschichte sein.
    »Als ich sechs Jahre alt war, nahm mein Vater mich mit auf die Jagd. Wir wollten Elche schießen, weißt du, was ein Elch ist? Eine sehr große Hirschart, sehr schön. Mein Vater hat normalerweise immer meinen großen Bruder mitgenommen, aber der war plötzlich krank geworden. Nichts Schlimmes, Masern oder so etwas. Jedenfalls fragte mein Vater mich, ob ich mitkäme. Ich war so glücklich und stolz, ich konnte über nichts anderes mehr reden. Aber meine Mutter wollte nicht, dass ich ihn begleitete, weil ich so klein war.
    Am

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