In meinem kleinen Land
Stelle nennt man eben «warme Pader».
Ich mag Schulen, schon den Geruch. An den Wänden hängen die Fotos der Abiturjahrgänge, und ich sehe auf dem Bild von 1988 nach, ob es so aussieht wie das, was damals von uns in Meerbusch gemacht wurde. Und tatsächlich: Es sieht haargenau so aus.
Am Schwarzen Brett werden zahlreiche Aktivitäten angeboten, die interessantesten fangen mit «B» an. «Bläserklasse» zum Beispiel oder ein Öko-Workshop namens «Bio – find ich kuh’l» oder das «Bankenplanspiel» und natürlich: «Beachvolleyball mit Frau Müller».
Im Hotel noch kurz nachsehen, wie der Boxkampf ausgegangen ist. Der Deutsche mit dem schönen Namen Luan Krasniqi hat leider verloren. Johannes B. Kerner befragt dazu den plumpen, aber sehr herzlichen Axel Schulz sowie Henry Maske. Es macht viel Freude, dem zuzuhören. Henry Maske klingt wie der sprechende Hund aus dem berühmten Loriot-Sketch.
Oelde. Eine knappe Lebensbilanz
29. September 2005
Die kleine Stadt Oelde liegt in der Nähe von Rheda-Wiedenbrück, was wiederum bei Gütersloh ist, was wiederum bei Bielefeld ist, was wiederum in Ostwestfalen liegt, was wiederum an Nordhessen grenzt. Man kommt nicht ohne Grund nach Oelde. Ich komme, um zu lesen, und wohne in einem frischrenovierten Hotel, in dem außer mir mutmaßliche Maschinenbauingenieure wohnen, die nachts auf ihrem Zimmer eine Flasche Ballantines mit drei Litern Cola getrunken haben, wie ich heute Morgen mit einem Blick auf den Schiebewagen der Putzfrau feststellen durfte.
Oelde ist zwar klein, besitzt aber dafür eine riesige Kirche. Wahrscheinlich hat man irgendwann im Mittelalter geglaubt, Oelde würde eines Tages Hauptstadt der Welt oder wenigstens Sitz der Vereinten Nationen, und begann mit dem Bau einer entsprechend repräsentativen Kirche. Dasselbe hat man auch in Münster und Paderborn gedacht, worauf ein babylonischer Konkurrenzkirchenbauwahn einsetzte. Schließlich stellte Oelde das Wachstum ein und führt nun ein beschauliches Kleinstadtleben, hat proportional sehr hohe Kirchenheizkosten.
Ich komme nachmittags an und mache meinen obligatorischen Spaziergang durch den verkehrsberuhigten Stadtkern, in dem selbstverständlich eine bronzene Abbildung von zwei Oelderinnen steht, die sich unterhalten. Ähnliche Bronzefiguren gibt es millionenfach in deutschen Städten. Vorgestern in Paderborn wurden Waschfrauen dargestellt, die bronzene Wäsche in der warmen Pader wuschen. In Düsseldorf, nahe dem Carlsplatz, stehen zwei Typen, die sich streiten. In München läuft man nahe dem Rindermarkt dem Lokalreporter Sigi Sommer in die Arme. Hallo, Stadträte: Bitte stellt doch mal was anderes in eure Innenstädte, zum Beispiel Frühstücksbüfetts, wie man sie in Dorint-Hotels bekommt. Und nicht immer bloß diese langweiligen Bronzeonkels.
Nachdem ich in einer Jugendkneipe namens «Namenlos». (hihihi) etwas gegessen habe, trinke ich noch Kaffee in einem Oma-Café. Ich gehe gerne in Oma-Cafés, wo Damen, die alle aussehen wie Hildegard Hamm-Brücher, riesige Torten verspeisen und Menthol-Zigaretten rauchen. Heimlich höre ich zu, wie sich zwei Omis über ihr Leben unterhalten.
Oma 1: «Und? Wat hat denn der Mann gemacht?». (Sie könnte auch «Ihr Mann» sagen, aber komischerweise kommt durch die steif anmutende Formulierung «der Mann» eine größere Nähe auf.)
Oma 2: «Der war erfolchreich in der Schiffshebetechnik tätich. Und als er davon genuch hatte, ist er kuchzfristich verstorben.»
Nach dieser Lebensbilanz folgt ein längeres Schweigen, in welchem mit Gabeln und Löffeln geklappert wird. Dann gewinnt der Dialog noch einmal kurz an Schwung, um schließlich in der Oelder Nachmittagstrübe zu verschwinden.
Oma 2: «Jetzt kommt die Sonne raus.»
Oma 1: «So ist das jetz’ aber auch genau richtich, so haben sie das nämlich vorher im Fernsehn gesacht.»
Lesung in der Stadtbücherei. Das ist ein Ort, zu dem Menschen nur hingehen, wenn sie gerne lesen. Man kann also sicher sein, dass die Leute sich für Lesungen interessieren.
Wie wohl meine Lebensbilanz später einmal klingt, wenn meine Frau Kuchen essen geht?
Bielefeld. Franz und Gerd spielen Mikado
30. September 2005
Was fällt einem überhaupt zu Bielefeld ein? Die Arminia vielleicht, ein seit Jahr und Tag konstant erfolgloses Fußballteam, eine sogenannte Fahrstuhlmannschaft, von der man nie so ganz genau weiß, in welcher Liga sie sich gerade befindet. Das berühmteste Match von Arminia Bielefeld fand vor ungefähr
Weitere Kostenlose Bücher