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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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röteren geschnürten Kleid. Sie hält in jeder Hand ein Bier, allerdings nicht in Pils-, sondern in Exportgläsern.
    Tannenzäpfle ist ein super angesagtes Bier aus dem Schwarzwald, das jetzt alle Menschen in Berlin-Kreuzberg und im Münchner Glockenbachviertel trinken. In Köln soll es sogar das meistverkaufte Pils sein. Es schmeckt aber trotzdem erstklassig. Und das Mädel auf dem Etikett hat also einen Namen. Es heißt Birgit.

Karlsruhe. Elefanten, Flusspferde und Marmorsaft
    12. Oktober 2005
    Im Bordrestaurant des ICE von Freiburg nach Karlsruhe wird laut Durchsage einer sehr dialektgeprägten Dame «ein frisches Blockhaussteg» angeboten. Aha. Außerdem teilt sie unter statischem Knacksen mit, dass sie uns Reisende «im Bordbistro gerne erwarten». Lieber wäre mir, wenn man uns dort gern bedienen würde, aber man kann nicht alles haben.

    Karlsruhe ist schon von seinem Grundriss her sehr aufgeräumt. Die Stadt wurde vom Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts gegründet und angeblich auch nach ihm benannt. Karl Wilhelm soll bei einem Jagdausritt im Hardtwald ein Nickerchen gehalten und dabei von einem schicken Schloss geträumt haben. Diese Residenz malte er sich als Sonne inmitten einer Stadt aus, mit Straßen als Sonnenstrahlen. Kaum aufgewacht, ließ Karl dieses Karlsruhe entwerfen. Sowohl das Schloss als auch die Sonnenstrahlen sind auf der Straßenkarte leicht zu finden.
    Womöglich hat diese geographische Ordentlichkeit dazu geführt, dass in Karlsruhe der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht tagen. Die müssen ziemlich viel zu tun haben, denn in unserem kleinen, aber klagefreudigen Land erklingt täglich der Ausruf: «Dafür gehe ich bis nach Karlsruhe.» Ein ebenso lächerlicher Satz lautet: «Wir sehen einer gerichtlichen Klärung gelassen entgegen.» Wenn Ihnen ein gegnerischer Anwalt einen Brief schreibt, in dem diese Formulierung vorkommt, dann können Sie sicher sein, dass er gerade von Angst geschüttelt wird.
    Das «Schlosshotel» zu Karlsruhe ist für Bahnreisende optimal erreichbar, es liegt nämlich gegenüber dem Bahnhof, und in der Lobby hängen alte Fotos von Bambiverleihungen, die früher mal eine Zeit lang in Karlsruhe stattfanden, nahe dem Offenburger Hauptsitz des Burda-Verlages. Damals sind die Stars im Schlosshotel abgestiegen, und es hat sich erfrischend wenig verändert, seit damals. Der Zoo liegt gleich nebenan und lädt zu einem Rundgang ein.
    Bei einem Zoobesuch wachsen uns Kenntnisse über die Fauna unserer Erde zu, ohne die man zwar gut leben könnte, die einen aber dennoch maßlos verblüffen. Der Elefantenrüssel zum Beispiel. Hat nicht zwanzig oder hundert oder gar siebenhundertzweiundneunzig Muskeln, sondern sage und schreibe fünfzigtausend. Elefanten können, wie jeder weiß, mit dem Rüssel allerhand vernünftige und lustige Dinge anstellen und ihn sogar als Schnorchel benutzen. Es passen fünf Liter Wasser hinein, die ein Elefant auf die Zuschauer niederregnen lassen könnte, was er aber aus Lässigkeit nicht macht. Zwei der Karlsruher Elefanten werden im nächsten Jahr fünfzig Jahre alt. Da wird sich die Lokalzeitung bestimmt etwas Hübsches ausdenken.
    Ein weiteres Karlsruher Weltwunder ist das Flusspferd. Höhö, ist das dick. Und dann dieser wilhelminische Gesichtsausdruck. Es ernährt sich vegetarisch und muss sehr viel essen, denn es ist sehr groß. Wenn es sich in klarem Wasser unsicher fühlt, tarnt es sich, indem es riesige Haufen macht, die dann das Wasser eintrüben und das Flusspferd darin verschwinden lassen. Man kann bilanzieren, dass das Flusspferd also große Teile seines Lebens selbstverschuldet in der Scheiße sitzt. Es wird den einen oder anderen Karlsruher geben, der nach dem Besuch des Zoos mit der Erkenntnis nach Hause geht, eigentlich nichts anderes als ein Flusspferd zu sein.
    Im Karlsruher Zoo werden die Besucher gegängelt. Ich hasse Schilder wie die an der Milchbar, wo am Eisverkauf dieser unverschämte Satz steht, dass man das Wechselgeld gleich nachzuzählen habe, denn «spätere Reklamationen sind zwecklos». Einmal abgesehen davon, dass dies Unsinn ist, denn die spätere Reklamation hat sehr wohl einen Zweck, sie ist bloß wahrscheinlich «erfolglos», kann ich diesen Ton nicht ausstehen. Warum werden eishungrige Zoobesucher wie nörgelige Querulanten behandelt? Man kann doch normal miteinander reden, zumal unter Landsleuten. Und wie oft kommt das überhaupt vor, dass jemand meint,

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