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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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angelernten Vierhundert-Euro-Jobbern in einen Backautomaten geschoben werden. Die Dame hinter dem Tresen ist auch keine Wienerin, aber immerhin gewährt sie mir für den Kauf eines Zwetschgenkuchens und eines Cappuccinos Asyl auf einem Barhocker. Man kann hier übrigens wählen zwischen Kaffee in einer «Tasse» und Kaffee in einem «Pott», womit vermutlich ein Becher gemeint ist. Kaffee aus einem Pott trinken. Das klingt nach Kettensäge und kaltem Männerschweiß.
    Nach zwei Stunden verlasse ich diesen gastlichen Ort. Ich werde bestimmt wieder mal herkommen, spätestens, wenn ich nochmal nach Erfurt oder Weimar oder Ilmenau will. Man hört, dass immer einer von beiden unpünktlich ist. Entweder der ICE oder der Regionalzug.

    Als der Zug in Erlangen hält, bin ich natürlich spät dran. Ich checke in ein Hotel ein, das haargenau so aussieht, als müsste dort Inspektor Derrick an der Bar sitzen. Er bestellt sich einen Tee und sagt zu Harry: «Harry, ich werde jetzt Frau Baumeister ein wenig auf den Zahn fühlen.» Schnitt. Derrick steht vor einem Hotelzimmer und klopft. Die Tür öffnet sich, und Evelyn Opela wird sichtbar. Sie sagt nicht etwa «Guten Tag» oder «Hallo», sondern ohne Grußformel «Ja?». Harry guckt hinter Derrick hervor und sagt: «Wir sind von der Polizei.» Evelyn Opela setzt einen zwischen überrascht und angewidert changierenden Gesichtsausdruck auf und fragt: «Was wollen Sie?» Derrick sagt: «Frau Baumeister, ist Ihr Sohn bei Ihnen?» Darauf dreht sich Evelyn Opela und sagt: «Ulf, da ist die Polizei.» Ulf, gespielt von Ekkehard Belle, taucht hinter Evelyn Opela auf und sieht Derrick verwirrt an. Evelyn Opela sagt: «Ulf, was will die Polizei von uns?» Pause. Dann: «Sag, was will die Polizei von uns. Ist es wegen Katrin?» Derrick sagt: «Herr Baumeister weiß, warum wir hier sind.» Und dann, strenger: «Nicht wahr? Sie wissen, warum wir hier sind! Sie wissen es doch, nicht wahr? Herr Baumeister! Sie wissen es!» Und Evelyn Opela, klagend: «Ulf, sag es. Sag es mir, warum sind diese Männer hier?» Und so weiter, und so weiter. In ein amerikanisches Erzähltempo übersetzt würde eine Derrick-Folge 2   :   52 Minuten dauern.

    Erlangen ist nicht groß und sehr kompakt. Charakteristisch sind die außergewöhnlich niedlichen Häuser. Die meisten kommen nicht über drei Stockwerke hinaus. Ich gehe durch die recht kleine Fußgängerzone zur Buchhandlung, wo viele Menschen vor der noch verschlossenen Tür stehen. Einlass in 15 Minuten. Es ist ein warmer Tag, vielleicht einer der letzten des Jahres. Ich stelle mich zwischen die Leute und höre zu, was sie so sagen. Vereinzelt ist auch von mir die Rede. Hochinteressant.
    Ich lese. Die Erlangerinnen und Erlanger sind sehr amüsierwillig. Das freut einen natürlich.

    Später im Hotel Derrick stelle ich fest, dass hier die Etagen nicht Etage oder Stockwerk heißen, sondern Flur. Ich schlafe auf dem zweiten Flur. Mir ist schlecht, seit ich in den ICE gestiegen bin. Das war der Cappuccino in Saalfelds Wiener Feinbäckerei. Ein Cappuccino, für den Derrick die Handschellen klicken lassen würde. Und die Bäckereikollegin würde von hinten leise sagen: «Michaela, was sind das für Männer? Was wollen diese Männer von dir?»

Freising. Lecker Eis und zuer Dom
    7. Oktober 2005
    Ich habe zwischendurch erwogen, diese Lesereise umzubenennen in «Domtour 2005». Fast überall, wo ich hinkomme, gibt es Dome. Döme. Domi. Weil Deutschland ja dann doch für einen weitgehend Säkularisierten wie mich eine irritierend große Anzahl von Bistümern hat. Gestern war Erlangen einmal eine Ausnahme. Aber Freising hat natürlich einen Dom, einen sehr berühmten sogar, denn der Innenraum wurde von den berühmten Gebrüdern Cosmas Damian und Ägid Quirin Asam mit Fresken und Stuck auf ähnliche Weise verziert wie die beiden Brüder von ihren Eltern mit Vornamen. Das kann man sich doch mal ansehen. Ich klettere auf den Berg, wo der strahlend weiße Dom steht – und er ist geschlossen. Wird renoviert. Bis nächstes Jahr im Herbst. Na so was. Gehe ich halt Eis essen. Sie haben sehr gutes Schokoladeneis in Freising.

    Freising ist Musterbayern. Es gibt hier mit Weihenstephan die älteste Brauerei der Welt sowie eine Außenstelle der Technischen Universität München, womit die Freisinger schon auf ihrem Ortsschild prahlen. Man kann hier Brauereitechnologie studieren. Ich kenne jemanden, der das getan hat. Er hat mir erzählt, dass Brauereierben und -angestellte

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