In meinem kleinen Land
Schülerzeitung zu interviewen. Es wird ein spektakuläres Gespräch mit mal so ganz anderen Fragen. Zum Beispiel: «Kennen Sie Tokio Hotel?»
Köln. Kopfschmerzen sieht man im Fernsehen nicht
27. Oktober 2005
Am nächsten Tag los zum Flughafen. Heute bin ich in einer Talkshow. Die wird um 19.30 Uhr aufgezeichnet und am Samstag gesendet. «Live on Tape» nennt man das. Ich habe leider bloß wahnsinnige Kopfschmerzen. Als ich gegen siebzehn Uhr in Köln ankomme, bin ich bei achtundsechzig Prozent meiner geistigen Leistungsfähigkeit. Die körperliche beträgt, na ja, vielleicht so ungefähr einundfünfzig Prozent. Keine guten Voraussetzungen für einen Auftritt im Medium Fernsehen, denke ich. Aber das stimmt nicht, wie ich später herausfinde.
Man bringt mich und die anderen Gäste im «Savoy»-Hotel unter, das nur von außen trostlos wirkt. Gegen achtzehn Uhr werden wir ins Studio gebracht und geschminkt. In der Garderobe steht ein Tablett mit Wurst- und Käsebrötchen. Die Sorte mit krauser Petersiliengarnitur.
Kleiner Einschub: Krause Petersilie wird nur noch zum Garnieren von Kantinenkäsebrötchen verwendet. Ansonsten ist krause Petersilie vollkommen abgemeldet. Die Leute verwenden nur noch glatte Petersilie. Eigentlich schade. Vor der alten Petersilie hatte ich immer Respekt. Mein Opa erzählte mir einmal, dass man, um an Blausäurevergiftung zu sterben, ein Pfund Petersilie essen müsste. Ich malte mir aus, was das für ein komischer Selbstmord würde, wenn ich einen riesigen Haufen Petersilie mampfte, während meine Mutter mir einen Vogel zeigte. Einschub Ende.
Die Aufzeichnung geht dann blitzschnell vorüber. Kaum hat man sich hingesetzt, steht man auch schon wieder auf. Für die Zuschauer ist das natürlich anders, weil sie nicht Teil des Prozesses sind und weil sie auch nicht annähernd so viel sehen wie man selber. Es geht in dem, was man hinterher im Fernsehen als Zuschauer von so einer Sendung sieht, das meiste verloren. Die Blickwechsel unter den Diskutanten zum Beispiel. Die Informationen, die die Moderatorin erhält, die umherliegenden Kabel, die Interaktion mit dem Studiopublikum. Besonders interessant sind die Ränder der Kulissen. Wo das Fernsehbild aufhört, endet auch die Inszenierung, da sind nur graue Studiowände, Feuerlöscher und ausgelatschte Böden.
Und da die Wirklichkeit des Studios für den Betrachter des Fernsehbildes nicht sichtbar ist, finden zwei Veranstaltungen statt: die im Studio, wo ganz viel passiert, und die im Fernsehen, wo nicht notgedrungen viel passiert, außer dass vier Menschen auf roten Sesselchen sitzen und miteinander reden. Dass ich immer noch verkatert bin (während der Sendung geistige Leistungsfähigkeit neunundsiebzig Prozent, körperliche zweiundfünfzig Prozent) und eigentlich aussehe wie ein vollgeschissener Strumpf, merkt man überhaupt nicht.
Nach der Sendung geht es mit Redaktion und Moderatorin noch zum Essen. Ich bestelle heute Abend mal keinen Alkohol, außer den zwei Gläsern Weißwein.
Am Freitag Rückflug ganz frühmorgens. Nach Hause. Wochenende. Kleiner Umweg über die Werkstatt. Man hat mein Auto abgeschleppt und den kaputten hinteren linken Reifen gewechselt sowie aus paritätischem Anstand auch gleich den rechten hinteren. Ist ja klar. Natürlich interessiert mich, woran der Reifen verendet ist. Der Werkstattmeister hebt eine drei Zentimeter lange stählerne Zwille hoch.
«Diese Dinger halten die Hopfen zusammen. Wenn die Ernte über die Autobahn gefahren wird, lösen sich schon mal welche und fallen auf die Straße. Wer drüberfährt, fängt sich leicht eine ein.»
Es ist gerade Hopfenernte. Ich bin in dieser Woche an einigen Lastwagen vorbeigekommen, die Hopfen geladen hatten. In meinem Rad steckte dieses Ding, als ich durch die Hallertau nach Regensburg fuhr, als ich von dort nach Straubing reiste und auf meinem Weg nach Starnberg. Macht alles in allem zweihundertfünfzig Kilometer.
Hannover. Pendel ohne Ende
31. Oktober 2005
Aus der Luft betrachtet ist Hannover nicht sehr groß. Auffällig sind die vielen Großwindanlagen, die dem Fluggast von unten in unterschiedlich starker Erregung zuwinken. «Hallo», rufen sie, «herzlich willkommen in der Messe- und Expostadt Hannooooover.»
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich Hannover als nicht nur klein, sondern außerdem auch als nicht besonders ansehnlich. Die Innenstadt ist ein überdimensionaler Gehweg. In Bahnhofsnähe ist dieser etwa so breit wie eine dreispurige
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