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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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ordentlichen Hotel mit antiken Möbeln schlafen und morgens zur Latte Macchiato die «taz» lesen müssen. Was soll ich sagen: Mir gefällt das.

    In Regensburg kann man noch ein bisschen bleiben, entscheide ich und gehe spazieren. Ich besteige einen Bus mit Anhänger. Im vorderen Teil erklingt die Stadtführung auf Deutsch, im Anhänger auf Englisch. Habe ich noch nie gemacht. Bevor das Ding loszuckelt, reißt ein Stadtrundfahrtsangestellter die Tür auf und blökt uns arme schüchterne Rentner an: «Lüftung gibt’s nur, wenn Sie die Fenster aufmachen. Wenn Sie die zurammeln, ist hier Pumakäfig.»
    Die Stadtrundfahrt bereichert mich um mehrere Anekdoten aus der Stadtgeschichte Regensburgs. Die schönste ist diese hier: Als die berühmte steinerne Brücke gebaut wurde, wettete der Baumeister mit dem des Doms, dass er mit seinem Bauwerk eher fertig würde. Der Brückenbaumeister geriet aber in Verzug und ließ sich auf einen Pakt mit dem Teufel ein. Dieser half ihm bei der Fertigstellung und sollte dafür die ersten drei Seelen erhalten, die die Brücke überquerten. Als die Brücke fertig war, kündigten sich Kaiser, König, Kardinal, Bürgermeister und so weiter an, und der Brückenbauer bekam Panik. Schließlich jagte er einen Hund, einen Hahn und eine Henne über die Brücke, und deren Seelen wanderten in die Hände des Teufels. Der wurde sauer und fühlte sich zu Recht veräppelt. Er versuchte also, die Brücke zu zerstören, indem er sich unter den mittleren Brückenbogen stellte und von unten drückte. Die Brücke ging aber nicht kaputt, sondern erhielt auf diese Weise bloß ihre charakteristische, nach oben gewölbte Form.
    Natürlich ist auch viel von Papst Benedikt die Rede. Die Dame auf dem Tonband braucht mehrere Minuten, um seine Verdienste, Titel und Funktionen in und um Regensburg aufzuzählen. Am Ende sagt der Rentner neben mir halblaut zu seiner Frau: «Und denn wara noch ersta Tenor bei’n Rensburjer Domspatzn.»

    Auf dem kurzen Weg durch die Dungau nach Straubing mache ich einen Abstecher zur Walhalla, der 1842 eröffneten deutschen Hall of Fame. Man kann von dort aus nicht nur sehr weit ins Land sehen, sondern auch umgekehrt vom Land aus auf die Walhalla. Unten fließt die Donau, und oben floss zumindest in früheren Zeiten der Schweiß, denn es waren ursprünglich dreihundertachtundfünfzig Marmorstufen zu überwinden, wenn man zu dem langgestreckten Tempel kommen wollte. Dessen aus Dolomitblöcken gefertigter Unterbau scheint in der Sonne. Inzwischen muss aber niemand mehr in der Mittagshitze hinaufsteigen und sich demütigen, denn es fahren klimatisierte Reisebusse mit Tortenkillern in kieselfarbenen Funktionsjacken von hinten bis dicht heran.
    In der germanischen Mythologie bezeichnet Walhalla die postmortale Wohngemeinschaft der gefallenen Krieger. So ist das hier auch gemeint. Alle deutschen Helden sollen versammelt sein. Es ist sehr einfach, die ganze Idee in ihrer ernsthaften Pracht ulkig zu finden. Entstanden ist sie jedenfalls vor zweihundert Jahren, als die Deutschen noch gar kein richtiges Volk waren, sondern ein ziemlich lose verbundener Haufen von Kleinstaatlern. Die Walhalla sollte die Identität der Deutschen und mit dem Deutschen stiften. Eigentlich eine sehr fortschrittliche Idee des bayerischen Königs Ludwig   I.

    Die Brüstung des Innenraumes wird von einem Fries umrahmt, der die Geschichte der Germanen wiedergibt, mit Einwanderung kaukasischer Bewohner aus dem Osten, Barden, Druiden, Einfall der Germanen in Italien und Sieg über Papirius Carbo sowie Völkerschlacht von Adrianopel. Aha. Denkt man da. Und: Soso. Dann natürlich die Helden. Einhundertsiebenundzwanzig deutsche Köpfe. Viele von denen kenne ich allerdings gar nicht, zum Beispiel den Fürsten Barclay de Tolly oder Michiel Adriaenszoon de Ruyter. Der Erste war Russe und der Zweite Holländer. Ludwig   I. hatte verfügt, dass in die Walhalla aufgenommen werden könne, wer «teutscher Zunge» und also nicht notwendigerweise rein deutschen Blutes sei. Es sind daher auch Holländer und Angelsachsen und Franzosen dabei. Der war schon ein echter Europäer, der Ludwig. Und hellsichtig war er auch, denn erstens würde Mozart bei enger Auslegung der Aufnahmekriterien fehlen, und zweitens wäre dann sogar für Ludwig   I. selbst kein Platz. Der wurde nämlich in Straßburg geboren und starb in Nizza.
    Das ganze Thema ist hochgradig kompliziert, zumal inzwischen wirklich nur noch reinkommt, wer auch in Deutschland

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