In meinem kleinen Land
Autobahn. Das hat die Hannoveraner Stadtplaner auf eine pfiffige Idee gebracht. Sie gruben einen Kanal in die Fußgängerzone, und in diesen Kanal füllten sie nicht etwa Wasser, sondern weitere Geschäfte. Die Schaufensterfläche in dieser an Schaufensterflächen wirklich nicht armen Stadt wurde auf diese Weise nahezu verdoppelt, und man kann auf zwei Etagen durch die Fußgängerzone laufen.
Nachts, so schwant mir, sollte man aber nicht im Kanal spazieren gehen. Dort treiben sich wahrscheinlich lichtscheue Gestalten herum oder Mitglieder der Rockgruppe Scorpions, die ja aus Hannover kommen und wehrlosen Passanten Gitarrensoli andrehen.
Mein Hotel liegt am Ernst-hihi-August-kicher-Platz. Der hat hier tatsächlich einen eigenen Platz, der Ernst-August von Hannover. Und dazu noch eine Passage, in der es Essen gibt und schlechte Luft. Ich mache mich auf die Suche nach der Altstadt. Es muss hier doch irgendwo eine Altstadt geben. Oder einen Dom. Kann doch nicht nur hässlich sein, diese Messe und Expostadt Hannover.
Ich entdecke die Altstadt hinter einer protestantischen Kirche, in der gerade gedreht wird. Fürs Fernsehen. Beleuchter-Trampel brüllen herum, Omis beten.
Zu Ehren des immer noch amtierenden Bundeskanzlers esse ich vor der Lesung eine mäßige Currywurst. Es muss ja auch mal irgendwo nicht ganz so schön sein. Sonst bekommt man noch Panik auf der Reise.
Am nächsten Tag vor meiner Abfahrt nach Celle mache ich noch einen Rundgang. Ich suche nach positiven Hannover-Eindrücken. Im Karstadt kaufe ich Rasierschaum (vergessen mitzunehmen) und Einmalrasierer (jaja) und Hustenbonbons. Da höre ich eine Lautsprecher-Durchsage: «Sehr verehrte Kunden: In unserer Karstadt-Sportabteilung begrüßen wir heute um vierzehn Uhr den Fußball-Botschafter Uwe Seeler. Um vierzehn Uhr in unserer Karstadt-Sportabteilung.»
UUUUUUUUUUUUUUUUUUWWWWWEEEEEEE!
Na, da muss ich doch hin. In der Sportabteilung ist auf Kunstrasen ein kleines Podium aufgebaut, auf dem ein Mikrophon liegt. Sieht aus wie bei der Halbzeitanalyse vom Länderspiel. Hinter dem Stehtisch der Schriftzug von Hyundai. Was haben die hier eigentlich zu suchen? Wenn es um die kommende WM in Deutschland geht, dann denkt man doch, da müsse Mercedes Benz stehen. Oder habe ich eine feindliche Übernahme verpasst? Egal. Jedenfalls taucht plötzlich UUUUUUUUWWWWEEEEE auf, dazu eine dunkelhaarige Schönheit in einem engen Kostüm sowie ein Moderator, der sehr nach Regionalfernsehen aussieht. Die drei unterhalten sich ganz ungezwungen über die Weltmeisterschaft, und Seeler sagt, dass die deutschen Stadien – auch das in Hannover – total WM-reif seien, und alle Stadien seien so herrlich, und wer dort nicht Fußball spielen wolle, der müsse seinen Beruf aufgeben. Komisch. Ich habe bisher nicht gehört, dass da jemand nicht spielen will. Ich habe nur gehört, dass die meisten Fans nicht reinkommen, weil es ziemlich viele Karten für Hyundai gibt, aber nicht besonders viele für normale Menschen und gar keine für mich.
Dann dürfen Fragen gestellt werden. Ein Mann erkundigt sich nach Seelers Golf-Handicap, und der frühere Nationalspieler schummelt sich durch eine minutenlange Antwort, bis er endlich zugibt, dass er eine Sechsundzwanzig hat, was überhaupt nicht respektabel ist. Trotzdem klatschen die Leute ringsum. Dann fragt einer, warum die Spieler von heute nicht beidfüßig schießen könnten und warum niemand mehr Kopfballtore mache und ob heute auch noch mit dem Kopfball-Pendel trainiert würde. Das sind total dämliche Fragen. Erstens können heute viel mehr Fußballer als früher beidfüßig schießen, zweitens gibt es wahrscheinlich nicht weniger Kopfballtreffer als früher, und drittens ist das Spiel viel athletischer geworden. Da können viel mehr Spieler hochspringen als zu Seelers Zeiten und somit auch viel mehr Tore verhindern. Seeler überlegt einen Augenblick. Was soll er denn nun auf diesen Käse antworten? Erinnert ein bisschen an einen Dampfkochtopf, der Uwe.
Er könnte natürlich sagen: «Wissen Sie, ich und Sie, wir können da eigentlich gar nicht mehr mitreden. Wenn ich mit meiner damaligen Verfassung heute antreten würde, müsste ich wahrscheinlich nach zwanzig Minuten vom Platz. Das ist heute alles viel schneller, und die Taktik ist so viel weiter. Lassen Sie uns doch lieber über Golf sprechen.»
Aber Seeler ist ja Botschafter des Fußballs, und deshalb ventiliert er, dass zu seiner Zeit, wenn er also in den sechziger Jahren zum
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