In meinem kleinen Land
AUS DEM BRASILIANISCHEN? Was soll das denn sein? Wissen die denn nicht, dass die da unten Portugiesisch sprechen? Das ist ja wie: «Aus dem Österreichischen».
Ich habe endlich mal Zeit zu bügeln. Und ich habe Zeit, «Der Untergang» auf DVD anzusehen. Also mache ich beides. Bekomme aber ein schlechtes Gewissen. Ich bin moralisch im Zweifel, ob man «Der Untergang» gucken und dabei bügeln und Marzipankartoffeln in der Backentasche auseinanderfallen lassen darf. Ist das noch in Ordnung? «Tatort» und Bügeln, das ist okay. Aber Bruno Ganz als Hitler, ich meine: HALLO! Bruno Ganz, Träger des Iffland-Ringes, spielt sich hier als Hitler in einem wirklich total wichtigen Film den ARSCH ab, und ich bügle dabei Oberhemden und esse Marzipan. Das ist doch Zynismus pur!
Andererseits: Ich bin sicher, dass Bruno Ganz beim Dreh dieses wahnsinnig wichtigen Filmes auch mal gemütlich im Hitler-Outfit in der Kulisse ein Wurstbrot gegessen hat und sich mit dem Produzenten Bernd Eichinger über Flachbildschirme oder Mallorca oder Schuppenflechte unterhalten hat. Wenn der das darf, darf ich auch bügeln.
Abends vorletzte Lesung des Jahres, wiederum in München. Genauer gesagt Schwabing. Ich trete auf der winzig kleinen Kleinkunstbühne von Heppel & Ettlich auf. Ich mag den Laden. Ist mal was anderes. Hier mache ich auch gerne eine kleine Pause, damit die Biere verkaufen können. Morgen muss ich noch einmal lesen, im Rathaussaal der Stadt München. Dann reicht es aber auch echt. Das Angebot, noch was zu trinken, lehne ich dankend ab und eiere nach Hause. Es ist ein bisschen glatt. Das ist im Winter oft so. Trotzdem bin ich überrascht.
Dieses Brasilienthema lässt mir keine Ruhe. Ich google das am nächsten Morgen. Ein abschließendes Urteil lässt sich nicht fällen, aber es gibt tatsächlich Sprachführer fürs Brasilianische. Am Ende ist es wohl strenggenommen nicht ganz korrekt, weil Brasilianisch so etwas wie ein portugiesischer Dialekt ist, ähnlich wie «Amerikanisch». Das hat sich auch eingebürgert, und man darf deshalb ruhig schreiben, Paulo Coelho werde aus dem Brasilianischen ins Deutsche übersetzt. Meinetwegen. Die Adventszeit macht einen milde.
Zu Hause sein ist auch schön. Ich esse Plätzchen und sortiere Belege. Dann ist Weihnachten.
Bayreuth. Zwei Wagners in einem einzigen Text
21. Januar 2006
Manchmal wacht man morgens auf, und ein Wort hat sich über Nacht im Schädel verklebt. Irgendein Begriff, der sich parasitär von Hirnströmen ernährt, dick und fett wird und sich weigert, den Kopf wieder zu verlassen. Dann muss man ständig an dieses lästige Wort denken. Ich habe seit zwei Wochen so ein Wort, eigentlich sind es zwei, sie funktionieren nur zusammen, denn es handelt sich um einen Namen. Er lautet: Olmützer Quargel.
Ist das nicht entzückend? Man möchte das wieder und wieder rufen, laut: «Olmützer Quargel, Olmützer Quargel!» Ich nenne meinen Hund so, ich nenne mein Auto so, ich kann nicht mehr von diesem Olmützer Quargel lassen. Olmützer Quargel. Ich habe mir diesen Begriff übrigens nicht ausgedacht, es gibt ihn wirklich, den Olmützer Quargel. Das ist ein Käse.
Ich entdeckte ihn nach Neujahr im Kühlregal des kleinen Edeka-Ladens bei uns auf dem Dorf. Ich hatte über die Weihnachtszeit ungefähr zwölf Kilo Plätzchen verzehrt, und nun suchte ich nach Lebensmitteln, die mir helfen sollten, wieder in Form zu kommen. So. Und was fand ich? Olmützer Quargel. Für mein Empfinden ist dies übrigens nichts anderes als ein Harzer Käse, jedenfalls sah er aus wie eine dicke, gelblich gläserne Schicht Hornhaut und verströmte schon bald einen Geruch, mit dem man auf Urwaldexpeditionen Moskitos verjagen kann.
Mein Olmützer Quargel. Übrigens kommt der gar nicht aus Olmütz. Kennen Sie Olmütz? Das ist eine Stadt in Mähren, also in Tschechien. Olmütz hat 100 000 Einwohner, eine Universität, einen Flughafen und einen berühmten Sohn, nämlich Franz-Josef Wagner. Das ist der Typ, der in der BILD immer offene Briefe an irgendwelche Leute schreibt, manchmal aber auch an «den Sommer» oder «die deutsche Industrie».
Der Olmützer Quargel im Kühlregal des Edeka-Ladens von Münsing kommt hingegen nicht aus Olmütz, sondern aus irgendeinem Kaff in Sachsen. Olmützer Quargel scheint demnach nicht denselben Markenschutz zu genießen wie Nürnberger Rostbratwürstchen. Da muss sich mal jemand drum kümmern. Ich habe bereits den kompletten Münsinger Edeka-Bestand von Olmützer Quargel
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