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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Spekulationen ein, denn es ist ja nicht ganz sicher, wie es gemeint ist. Es wird aber wohl kaum um die Verdienstmöglichkeiten als Sozialarbeiter gehen. Eher schon darum, wie man mit den immer weniger werdenden Mitteln, die noch zur Verfügung stehen, sinnvolle Sozialarbeit verrichtet. Ich werde es leider nicht herausfinden, denn ich bin leider kein/e StudentIn in Tübingen, sondern bloß ein Reisender, der am Hölderlinturm vorbeiläuft und an der evangelischen Kirche und an Walter Jens.
    Stopp! War das da nicht wirklich gerade Walter Jens? Der echte? Da, vor dem Schaufenster mit der Wolle und dem Kammgarn? Stand da nicht gerade Walter Jens und hat überlegt, ob er seiner Frau Inge einen Wollknäuel mitbringen soll? Nein, das kann doch gar nicht sein. War er wohl nicht. Wäre auch zu viel verlangt. Kommt man zum ersten Mal nach Tübingen, und schon steht Walter Jens vor dem Schaufenster. Hans Küng treffe ich auch nicht, obwohl die Stadt klein ist. Was haben Hans Küng und Inge und Walter Jens gemeinsam? Sie sind Ehrenbürger von Tübingen.
    Tübingen gilt als evangelisch, der Ort der abendlichen Lesung hingegen ist eine katholische Hochburg: Rottenburg. Das merkt man schon daran, dass hier für die Fastnacht geschmückt wurde, wovon in Tübingen nichts zu sehen war. Tübinger Evangelen knacken an Karneval Walnüsse und trinken Holundersaft, in den sie, damit er mehr kickt, Sprudel mischen. Dann sagen sie leise: «Jetzt aber nicht übertreiben.» Und gehen mit Socken ins Bett.
    In Rottenburg hingegen thront der Bischof in einem überheizten Gemach, öffnet guten Rotwein und beißt in einen Hühnerschenkel, dass das Fett auf den Hermelin tropft. Der Bischof war gerade erst in den Schlagzeilen, weil er den Rücktritt des baden-württembergischen Sozialministers Andreas Renner sozusagen verursacht hat. Die Kirche hatte den CDU-Politiker dafür kritisiert, die Schirmherrschaft über das schwule Straßenfest Christopher Street Day übernommen zu haben. Und da soll der Renner zum Bischof Fürst gesagt haben: «Halten Sie sich da raus. Fangen Sie doch erst einmal damit an, Kinder zu zeugen.» Hammer. Rücktritt.

    Es wird in einem historischen Saal mit einer hellerleuchteten Bühne das zehnjährige Bestehen einer Buchhandlung gefeiert. Im Hotel schlafe ich schnell ein. Tübingen ist zu kalt, um noch auszugehen. Schade. Sozialstudien müssen auf den nächsten Besuch verschoben werden.

Koblenz. Machen Erkältungen Pausen?
    1. Februar 2006
    Heute leider keine ausführliche Beschreibung von Kirchen, Museen, Einkaufscentern oder sonstigen Stätten der Erbauung. Auch keine zufällige Begegnung mit Thomas Anders, der in Koblenz lebt. Der Grund: Ich liege den ganzen Tag im Bett, und das ist nicht spannend.
    Ich bin krank. Total verrotzt. Verschleimt. Alles tut weh. Ich frage mich nur, warum? Vielleicht habe ich eine Taube berührt oder ein halbes Hähnchen und habe mich mit einer bei meiner Person erstmals erfolgreich in Richtung Mensch mutierten Form der Vogelgrippe angesteckt. Jeder, der mich berührt, muss sterben.

    Ich bestelle per Taxi ein Erkältungsbad und Emser Salzpastillen, die mir von einem Koblenzer Stefan-Effenberg-Verschnitt gebracht werden. Die Langeweile tut meinem Hals gut, und die Erkältung macht eine kleine Pause. Während ich lese, sitzt sie am Rand meines Körpers und schaut hier und da ungeduldig auf die Uhr. Anschließend bekomme ich zwei kleine Glasschwäne mit Pralinen überreicht. Die Erkältung beendet ihr Päuschen, steht wieder auf, klatscht in die Hände und sagt: «So! Genug gefaulenzt! Jetzt wollen wir mal wieder an die Arbeit gehen.»

Speyer. Der alte kranke Vogel
    2. Februar 2006
    Eine Fahrerei ist das. Bin gerade erst von Schwaben nach Koblenz gefahren, um heute gleich wieder in den Süden zu reisen, nach Speyer, das zwischen Mannheim und Karlsruhe in der Nachbarschaft des berühmten Hockenheim-Ringes liegt.
    In der Dom- und Kaiserstadt Speyer nölt mich zur Begrüßung der Taxifahrer an, weil ihm die Fahrt zu kurz ist. Das hatte ich in Tübingen auch schon. Inzwischen ist mir das übrigens schnuppe, das Gemecker. Denn erstens kann ich nicht wissen, dass das Hotel nicht sehr weit vom Bahnhof entfernt liegt. Zweitens liegt in kleinen Städten kein Hotel weit weg vom Bahnhof. Drittens ist mir mein Gepäck zu schwer, um damit eine Viertelstunde zu laufen. Und viertens geht das den Taxifahrer gar nichts an. Der Fahrer in Tübingen, der aussah wie eine Kreuzung aus Jean Pütz und einer

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