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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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ist ganz beliebt, auch bei Selbstmördern. Springt öfter mal einer runter. Riesenaffentheater. Ich habe selber mal dadrin gelebt, im siebten Stock.»
    Ich frage ihn nach dem Wahrzeichen der Stadt. Er sagt: «Da kommen wir gleich lang. Hier ist es.»
    «Was ist denn hier?»
    «Das Elefantenklo.»
    «Das was?»
    «Das Elefantenklo.»
    Er erklärt mir, dass es sich dabei um eine sehr breite Fußgängerbrücke aus Beton handele, die einen Teil der Stadt mit der Fußgängerzone verbindet. Die Brücke weist drei große achteckige Löcher von je etwa fünf Meter Durchmesser auf. Damit niemand durch eines der Löcher hinunter auf die Straße plumpst, sind sie mit Geländern umfriedet. Der großen Löcher wegen heißt die Brücke «Elefantenklo». Komisches Wahrzeichen.

    Immerhin: Gießen ist ein ganz gutes Pflaster für Lesungen. Viele Studenten, also viele Leser.

    Am nächsten Morgen mache ich mich auf, um Gießen noch ein wenig zu bestaunen. Es gibt aber nicht wirklich viel her. Also suche ich das «Mathematikum» auf, das einzige mathematische Mitmachmuseum der Welt, wie es sich selber preist. Es ist in einem ehemaligen Gefängnis beherbergt, und das finde ich eine hübsche Idee, wenn ich an meine Schulzeit denke. Jedenfalls interessiert mich, ob das «Mathematikum» irgendeinen positiven Impuls in mir auslöst. Leider nein. Gar nicht.
    Der damalige Bundespräsident Johannes Rau hat zur Eröffnung gesagt: «Mathematik kann Spaß machen. Das habe ich hier erfahren.» Sie haben hier Dutzende Experimente aufgebaut, mit denen die Verbindung von Mathematik und Naturphänomenen veranschaulicht werden soll. Zahlreiche Puzzle-, Frickel- und Schiebespiele weisen auf logische und formale Zusammenhänge hin, die ich nicht verstehe. Am Ende notiere ich mir, wo mein Geburtsdatum innerhalb der Zahl Pi vorkommt. Es beginnt an der 61   913. Nachkommastelle und ist von den Zahlen 87   088   406 und den Zahlen 943   622   418 umschlossen. Toll!

    Im Zug auf der eineinhalbstündigen Fahrt nach Aschaffenburg alles voller Schulkinder. Eines erzählt, dass seine Handyrechnung zweihundertsiebzig Euro betragen habe. Das ist noch gar nichts. Ein Freund berichtete mir neulich von einer größeren Auseinandersetzung mit seiner vierzehnjährigen Tochter. Die hatte eine Handyrechnung von spektakulären tausend Euro, schwor aber, praktisch nie zu telefonieren. Sie schicke eigentlich nur SMS. Und dann fand mein Freund heraus, wie sie das tat. Hier ein Beispiel:

    Sie: Hi.
    Freundin: Hi.
    Sie: Wo bist du?
    Freundin: Biologie.
    Sie: Ist Beni auck da?
    Freundin: Bort in der Nase.
    Sie: Süüüüüüsss!
    Freundin: Find ich voll eklig.
    Sie: An Beni ist alles süs.
    Freundin: Bill ist süser.
    Sie: Von Tkio Hotel?
    Freundin: Wer den sonst?
    Sie: Tokio Hotel for ever!!!!!!!
    Freundin: Gehst du mit zu K.?
    Sie: Weis nicht.
    Freundin: Komm mit, wird supi.

    Und so weiter und so weiter. Bis zu diesem Moment kostet dieses aufregende Gespräch ungefähr zwei Euro. Tausend sind auf diese Weise natürlich schnell zusammen. Der Mensch ist Mensch, weil er smst und dafür blecht.

Aschaffenburg. Frühlingsrolle des Grauens
    22. Februar 2006
    In dieser Stadt herrscht eine vollkommen aufgeräumte Stimmung. In Aschaffenburg ist absolut nüscht los. Es ist Karneval, ein Tag vor Weiberfastnacht. Außer in Aschaffenburg, da ist nur Mittwoch. Mit Aschaffenburg verbinde ich nur angenehme Erinnerungen, obwohl ich noch nie dort war.
    Aschaffenburg ist nämlich der Ort, an dem die Autobahn wieder dreispurig wird, von Bayern ins Rheinland reisend sieht man sich zuvor auf der A3 einem längeren zweispurigen Streckenabschnitt ausgesetzt, an welchem die durch ihre Staus bundesweit bekannte Stadt Würzburg liegt. Donnerwetter, ist Aschaffenburg toll.

    Befinde mich auf Nahrungssuche. Auf dem Gehweg stoße ich auf ein Schild mit folgender Menüempfehlung: «Großes Mittags-Buffet (32 Gänge) mit Ente nur €   6,80». Zweiunddreißig Gänge! Es handelt sich natürlich um ein chinesisches Lokal. Der letzte Chinese, dem ich einen Besuch abgestattet habe, war jener in Jena, wo das Essen derart apokalyptisch heiß auf den furnierten Tisch kam, dass das Pfannengemüse schäumte und spritzte. Der Kellner deckte das ganze Essen mit dem Sportteil der BILD ab, bis sich das Gemüse einigermaßen beruhigt hatte. Dann hob er das versiffte Papier ab wie eine Glosche, zerknüllte es, und ich musste zehn Minuten warten, bis das Essen so weit abgekühlt war, dass es mir kein Loch mehr in

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