In meinem kleinen Land
besteht aus drei Elementen. Zwei davon hat man einigermaßen auf der Rechnung: Das weiße Band im grünen Feld auf der linken Seite symbolisiert den nördlichen Rhein. Das weiße Pferd auf rotem Grund zeigt Westfalen. Und dann ist unten – zwischen Strom und Pferd – noch ein drittes Dingchen zu sehen. Was ist das wohl? Das ist eine Rose. Die lippische Rose nämlich. Jawoll! Eigentlich besteht nämlich das Bundesland aus drei Teilen: Nordrhein, Westfalen und LIPPE. Korrekt müsste es heißen: Nordrhein-Westfalen-Lippe. Aber der dritte Teil wird einfach unterschlagen, obwohl das Gebiet einmal Fürstentum und danach Freistaat war, bevor es sich 1947 Nordrhein-Westfalen anschloss. Und nun führt das Lipper Land ein eher randständiges Dasein als Landkreis. Die in Lippe sind da nie mit fertiggeworden. Mein Saufaus von Gegenüber war möglicherweise mal als Ministerpräsident im Gespräch und wurde dann einfach ausgebootet.
«Noch’n Pilsken. Danke.»
Das Fernsehteam kommt rein. Der Autor ist aus Köln angereist, Kameramann und Tonassi aus Hannover. Der Film wird hinterher so ungefähr zweieinhalb Minuten dauern, dafür der ganze Aufwand. Und das alles von meinen Fernsehgebühren, die ich gerne und ohne zu murren bezahle, schließlich will ich die Musikantenscheune sehen.
Der Kameramann hat seine Wohnung in Hannover vermietet. Dort wohnen dann jetzt drei Chinesen, ab morgen ist nämlich CEBIT. Das Fernsehteam filmt zu Beginn der Lesung ein bisschen, kann aber nicht bis zum Ende bleiben, denn der Film muss noch in der Nacht geschnitten werden.
Der Kameramann ist sicher ganz froh, dass er nach Hause kann, er ist nämlich aufgeregt. Eben hat er einen Anruf bekommen: Es sind nicht drei Chinesen, die in seiner Wohnung einquartiert wurden, sondern drei polnische Messehostessen. Die werden sich doch nicht etwa Arbeit mit nach Hause nehmen?
Um 13.15 Uhr checke ich am nächsten Tag aus und habe nun noch anderthalb Stunden Zeit, bis mein Zug fährt. Ich gehe noch einmal spazieren, denn in Detmold ist es schön, und entdecke das Landesmuseum. Da gibt es Spinnen. Lebende Spinnen. Und was für welche.
Ich bin arachnophob. Bereits winzige Spinnenviecher lassen mich in hysterisches Gebrüll ausbrechen. Ich werde regelrecht tuntig, wenn ich Arachniden sehe. Ich weiß schon, Spinnen sind wunderschöne Tiere, edle Produkte im Feinkostlädchen Gottes, faszinierende Geschöpfe allesamt. Ich morde keine Spinne, aber nur, weil ich ihr nicht zu nahe kommen will. Auch die beliebte Praxis, Spinnen mit dem Staubsauger zu entfernen, wende ich nicht an, weil ich befürchte, dass die eingesaugte Spinne des Nachts aus dem Beutel herausfindet, durch das Rohr in die Freiheit gelangt und sich an mir rächt, während ich schlafe.
Aber manchmal muss man sich seinen Ängsten stellen, und außerdem sind zwischen mir und den Viechern dicke Glasscheiben. Da traue ich mich, einen Blick zu riskieren. Die Ausstellung besteht hauptsächlich aus Vogelspinnen, anderen tarantulaesk behaarten Spielarten und Skorpionen. Kleines beruhigendes Detail am Rande, das mich am Ende versöhnlich stimmt und munter aus dem Landesmuseum entlässt: Der Große Tausendfüßler hat gar nicht tausend Füße. Sondern bloß zweihundertachtundachtzig. Uff.
Werther. Echte Originale
8. März 2006
Die Fahrt nach Werther führt ins Grenzgebiet zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo die Bahntrassen immer schmaler werden und schließlich in einem Ort namens Borgholzhausen in der Wiese zu versiegen scheinen.
Mein Zielort Werther, wo ein gewisser Konditor Nebel das Sahnebonbon erfunden hat, hat keinen Bahnhof. Kaum zu glauben. Man muss also in dem bereits erwähnten Borgholzhausen aussteigen. Bevor man dies tut, muss man allerdings in Brackwede umsteigen.
In Brackwede, das auf der zweiten Silbe zu betonen ist, gibt es nichts. Nur Wind. Eisigen Wind. Bei näherer Inspektion entdecke ich dann aber doch noch einen Mitsubishi-Händler sowie eine türkische Pommesbude, wo ich eine Dreiviertelstunde sitze und mir ein Gemälde ansehe, auf dem ein Wasserfall und viel Grün und ein Berg zu sehen sind. Einige ältere Türken sitzen herum und trinken Tee aus schmalen Gläsern.
Dann weiter nach Borgholzhausen, wo die Züge bremsen, indem sie einer Kuh gegen das pralle Euter fahren. So fühlt es sich jedenfalls an. Ich werde von einer freundlichen Buchhändlerin abgeholt, die mich erst einmal ins Hotel bringt, das wiederum nicht in Werther liegt, sondern in Versmold. Versmold
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