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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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auf meine Stirn zu brennen, entscheide ich mich heute mal fürs Kino: «Requiem» von Hans-Christian Schmidt. Der macht nur gute Filme. Ich kaufe eine Karte für die Nachmittagsvorstellung. «Requiem» handelt vom letzten Exorzismus in Deutschland, der in den siebziger Jahren an einer jungen Frau vollzogen wurde, die aus der Nähe von Würzburg kam und dort auch studiert hat. Im Film hat man die Orte aber verändert. Und den Namen des Mädchens auch. In Wahrheit hieß es Anneliese Michel, im Film Michaela Klingler.
    Das Szenenbild verbreitet perfiden Grusel. Der entsteht aus der reinen undekorierten Kleinbürgerlichkeit der Klingler’schen Einrichtung. So wie bei denen sieht es in Millionen deutscher Häuser aus. Die Klinglers. Das sind brave Menschen, christlich, also mindestens wertkonservativ, dabei hilfsbereit, skeptisch. Jedoch verlässlich. Keine Spieler, mäßig konsumbereit. Deutsche halt.

    Duschen, durchatmen, und dann geht es zur Stadtbücherei Würzburg. Wenn man dorthin geht, kommt man an der unbefleckten Empfängnis vorbei. Oh ja, die gibt es in Würzburg zu bestaunen. Außen an der Marienkapelle. Da ist Maria zu sehen mitsamt ihrem Sohn, der durch eine Art Schlauch vom Himmel direkt in ihren Schoß gesaust ist. Der Schlauch sieht aus wie eine Ohrenkerze. Kennen Sie Ohrenkerzen? Man zündet sie an und hält sie sich ans Ohr, dabei entsteht ein Unterdruck, der einem die Ohren reinigt. Kitzelt ein bisschen, ist aber nicht unangenehm, also einer unbefleckten Empfängnis nicht unähnlich. Dass der Heiland durch eine Ohrenkerze zu uns gelangt sein soll, stimmt mich heiter.

    Ich werfe die Bonbons, die ich in Werther geschenkt bekommen habe, ins Publikum. Dann signiere ich, und wir gehen essen. Trinken was, schauen auf den dunklen Main, der unter uns strömt. Spüre dumpfe Zufriedenheit, obwohl die Küche geschlossen hat und es keine blauen Zipfel mehr gibt.

Köln. Einsilbige Stadt
    12. März 2006
    Für einen Düsseldorfer ist es immer etwas Besonderes, wenn er nach Köln muss. Ich stehe zwar gar nicht auf dieses Köln-Düsseldorfer Thema, aber ich bin nun mal aus Düsseldorf, einer Stadt mit drei Silben. Wie Lüneburg. Oder Rosenheim. Drei Silben haben immer etwas Provinzielles an sich. Anständige Großstädte sollten nicht mehr als zwei Silben haben: Frankfurt. Berlin. Dresden. Köln hat sogar nur eine. Das deutet auf Großartigkeit hin, aber die Annahme erledigt sich gleich, wenn man am Hauptbahnhof ankommt. Köln ist so was von hässlich, besonders rund um den Hauptbahnhof. Wurde ja alles zerbombt. Wahrscheinlich hat Köln im Krieg sogar seine drei weiteren Silben eingebüßt und hieß vorher eigentlich Kölnhausensdorf.

    Heute muss ich nicht lesen. Ich werde fotografiert. Für das Cover des Buches, das Sie gerade lesen. Der Fotograf holt mich im Hotel ab. Zuerst wollen wir am Ferngleis des Kölner Bahnhofes ein paar Filme verbrauchen, später in einer Bar. Auf dem Bahnsteig soll ich mit meinem Gepäck stehen und auf den Zug warten, wie ich das seit einem halben Jahr ständig mache. Kein Problem, «no acting required». Diese Worte schrieb sich Robert Mitchum an manche Stellen in seine Drehbücher und spielte dann nicht, sondern stieg einfach aufs Pferd, wie man eben so aufs Pferd steigt. Ich stehe einfach am Gleis und friere, wie man eben so friert. Es ist lausekalt, gefühlte Temperatur: –31 Grad. In Wirklichkeit sind es nur –2. Das ist der Wind, der durch den Bahnhof fliegt. Der Fotograf bricht nach dem zwölften Film ab und sagt, dass man die Kälte wahrscheinlich später auf den Bildern wird sehen können.
    Dann setzen wir uns in sein Auto und fahren in die Friesenstraße zur zweiten Location, wie man unter Fotografen sagt. Es handelt sich um eine Bar. Früher war das ein Puff. Ich mache, was ich so mache, wenn ich reise, nämlich rumsitzen.

    Später gehe ich mit einem befreundeten Pärchen ins Kino. Die Wahl des Filmes gestaltet sich etwas schwierig, denn die beiden sind nicht zu entscheidungsfreudig. Kölner halt. Die sind bis zur Neige des Erträglichen spontan. Wir stehen in der Schlange vor der Kasse.
    Trixie: Wollen wir nicht in «Brokeback Mountain» gehen?
    Dirk: Worum geht et denn da?
    Ich: Um zwei schwule Cowboys.
    Dirk: Worum?
    Ich: Um schwule Cowboys.
    Dirk: Schwule Cowboys hab ich in Köln den janzen Tag.
    Trixie: Und was ist mit «Syriana»?
    Ich: Da geht es um die CIA, irgendwie Öl und so Geheimdienstkram. Muss ziemlich verwirrend sein.
    Noch sechs Leute vor uns.
    Trixie:

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