Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
Vom Netzwerk:
Das sagst du ja nur, weil du den nicht sehen willst. Da spielt George Clooney mit.
    Dirk: Auweia.
    Ich: Der ist da aber ganz dick.
    Trixie: Was läuft denn noch so?
    Dirk: Guck mal: «Underworld: Evolution». Die Frau sieht super aus.
    Trixie: Du spinnst wohl.
    Ich: Vielleicht «L. A. Crash»?
    Dirk: Das ist bestimmt so ’n Ghettofilm.
    Trixie: Ich will George Clooney.
    Noch drei.
    Ich: George Clooney hat da so einen furchtbaren Bart. Und «L. A. Crash» hat den Oscar gekriegt.
    Dirk: Das heißt gar nichts. «Miss Daisy und ihr Chauffeur» hat auch den Oscar gekriegt.
    Ich: Okay. Was nu’?
    Trixie: Und dieser «Capote»?
    Dirk: Der läuft hier nicht. Den hätte ich sofort geguckt. Aber der läuft ja hier nicht. Ich will die Alte in dem Lederoutfit sehen. Ich bin für «Underworld: Evolution». Da ist schon der Titel super.
    Trixie: Ausgerechnet «Capote» läuft hier nicht.
    Zwei.
    Dirk: Wat is denn «The New World»?
    Ich: Das ist von dem Typ, der auch «Der schmale Grat» gemacht hat.
    Dirk: Och nö.
    Trixie: Oder doch in «Syriana».
    Ich: Mir ist das eigentlich egal. So langsam. Ich würde ja in «L. A. Crash» gehen.
    Kassiererin: Guten Abend.
    Ich: Abend. Moment. Also was is jetzt?
    Trixie: Ich weiß nicht.
    Dirk: Ja, irgendwo müssen wir jetzt rein.
    Trixie: «L. A. Crash» oder «Syriana». Wo gibt es denn die besseren Plätze?
    Kassiererin: Unsere Plätze sind alle gut.
    Ich: Klaro.
    Dirk: Das hilft jetzt echt weiter.
    Kassiererin: Dann werfen Sie eine Münze.
    Ich: Wir machen das so: Ich lade euch ein, und dafür bestimme ich, was geguckt wird.
    Dirk: Und was wird geguckt?
    Ich: «Syriana».
    Ich kaufe die Karten, wir nehmen im Kinosaal Platz. Nach acht Minuten sagt Trixie: «Booah. Wär’n wir mal in ‹L. A. Crash› gegangen.» Anschließend muss ich ins Hotel. Schlafen.
    Am nächsten Morgen sitze ich im Hotel «Savoy» beim Frühstück in einer Lounge, die so purpurn aussieht, als habe der Kölner Kardinal an einem skandinavischen Design-Workshop teilgenommen. Aber das Frühstück ist ausgezeichnet. Dann zum WDR. Das Thema der Sendung, zu der ich eingeladen bin, lautet: «Dichtung und Wahrheit – Wie biographisch ist Literatur?» Ich bin gerne dabei, wenn sich Rundfunkgebühren bei munterem Geplauder in aufsteigende Rauchkringelchen auflösen.
    In der Sendung lese ich den Teil meines Reisetagebuchs vor, den ich geschrieben habe, als ich für den Einspieler dieser Sendung in Detmold gefilmt wurde. Das ist ein interessanter Moment: Ich habe dort in Detmold im Café einen Text darüber geschrieben, dass ich für eine Sendung gefilmt werde, in der ich nun genau diesen Text wiederum vorlese. Was ist nun daran wirklich? Alles oder nichts, würde ich sagen. Den Text hätte ich nicht geschrieben, wenn ich nicht gefilmt worden wäre, was ich nur wurde, weil ich in diese Sendung gehen sollte. Die Sendung selbst erzeugt also einen Vorgang, der zwar real und absolut biographisch ist, gleichzeitig aber auch total künstlich.

Leipzig. Auflösungserscheinungen
    16. März 2006
    Ganz langsam schwindet Hirnmasse aus meinem Schädel. In jeder Stadt krümeln winzige Stücke aus meinen Ohren. Auf jedem Hotelkopfkissen lasse ich ein Haar sowie einige Gramm Erinnerungen, To-do-Liste oder Organisationstalent liegen. Ich verblöde allmählich. Die Frage ist nur, ob ich zu Hause am Schreibtisch nicht ebenfalls verblöden würde? Kann sein, aber ich hätte immerhin warme Füße.
    Es ist nun bereits Mitte März, aber um mich herum nichts als Schnee und Eiseskälte. So habe ich mir den Klimawandel nicht vorgestellt. Keine Spur von Erderwärmung.

    Die Reise geht für drei Tage nach Leipzig. Zwischendurch war ich einen Tag zu Hause, dann wieder einen in Köln, gestern noch einmal einen Tag zu Hause. Ich habe Wäsche gewaschen und gebügelt, Belege sortiert. Heute Morgen wieder gepackt: Donnerstag, Freitag, Samstag also Leipzig, am Sonntag nach Darmstadt, um in der darauffolgenden Woche für fünf Tage nach Berlin zu fliegen. Alles ist genauestens geplant, aber leider habe ich nun einmal zerebralen Materieschwund, und alles, was nicht aufgeschrieben wurde, vergesse ich. Daher stehe ich in Terminal 2 des Flughafens von München und suche vergeblich nach meiner Kreditkarte, mit der ich an einem Automaten für den Flug nach Leipzig einchecken kann.
    Zu meinem allergrößten Bedauern muss ich feststellen, dass sich mein Geld, meine Kreditkarte und auch mein Personalausweis sowie mein Führerschein in der Innentasche

Weitere Kostenlose Bücher