In meinem kleinen Land
ein kleines Fußballbüchlein verfasst, er das seine bereits vor vierzig Jahren. Schorlemmer hatte Begegnungen, und lediglich Raddatz ist weder jemandem begegnet, noch interessiert er sich für Fußball. Er passt also nicht in die Gruppe. Der Moderator baut eine sehr morsche Brücke vom Fußball zu Raddatz’ Thema «Heinrich Heine», indem er ausführt, dass Heine zwar nichts mit Fußball zu tun gehabt habe, sehr wohl aber mit dem Deutschsein, was ja wiederum auch ein Anliegen Turnvater Jahns gewesen sei. Und der habe zumindest mit Sport zu tun. Raddatz verwandelt blitzsauber, indem er mitteilt, dass diese Überleitung unmöglich darüber hinwegtäuschen kann, dass er, Raddatz, im falschen Panel platziert worden sei. Zwanzig Minuten gehen dafür drauf. Ich muss erfreulich wenig sagen, genau wie Loest und Schorlemmer. Man trennt sich freundlich.
In den folgenden Tagen versuche ich, wann immer Zeit ist, über die Messe zu laufen. Das ist speziell am dritten Tag gar nicht so einfach, denn überall rennen dicke blasse Mädchen in alberner Aufmachung herum. Heute erhalten alle freien Eintritt, die in Manga-Kostümen erscheinen. Also haben sich ungefähr zehntausend junge Menschen als japanische Comicfiguren verkleidet. Oder es wenigstens versucht. Manga-Mädchen sind überirdisch sexy, was man von ihren unglücklichen weiblichen Fans nicht unbedingt sagen kann. Die Mangaszene ist ein Sammelbecken für Pummelchen, die gerne Schuluniformen tragen.
Nach einer Lesung am Samstagabend am nächsten Morgen Abreise nach Darmstadt. Ich muss sehr früh los, damit ich gegen zwölf Uhr im Staatstheater bin. Setze mich in den kalten Zug und tuckere durch das schlafende Leipzig.
Leipzig ist so wunderbar international und weltoffen und tolerant und hat Gäste aus aller Welt. Die wenigsten von denen haben mitbekommen, was sich knapp einhundert Kilometer von Leipzig entfernt abgespielt hat. Da wollte Konstantin Wecker ein Konzert mit antifaschistischen Liedern im Gymnasium von Halberstadt spielen. Die NPD kündigte an, die Veranstaltung zu besuchen, mehr noch: dort massiv teilzunehmen. Und da hat der Landrat dem Wecker seinen Auftritt ganz einfach untersagt. Die Neonazis haben sich öffentlich darüber beömmelt.
Es ist zum Heulen, wenn die was zum Lachen haben.
Düsseldorf. Die Michael-Jackson-Dusche
27. März 2006
Man hat mich am Graf-Adolf-Platz untergebracht, in einem Holiday Inn. Das sind traditionell funktionale Gasthäuser, deren Komfort darin besteht, ein riesiges Frühstücks-Büfett anzubieten und Allergiker-Kissen. Ich beziehe mein Zimmer und begebe mich auf die Toilette. Leider habe ich nichts zu lesen, aber das macht nichts, denn im Düsseldorfer Holiday Inn kann man den Duschvorhang lesen!
Dieser ist mit Titelseiten internationaler Zeitungen wie «Times», «El País» oder «De Telegraaf» faksimiliert. Und was steht da auf der Titelseite von «De Telegraaf» über einem Bild von Michael Jackson: «Michael Jackson als Kind seksueel misbruikt.» Hat man schon einmal so einen merkwürdigen Duschvorhang gesehen?
Ich gehe über die Kö spazieren. Die Königsallee war es vielleicht, durch die Düsseldorf zum Kosenamen Klein-Paris gekommen ist. Sie gibt sich immer noch sehr elegant, auch wenn viele der traditionellen Geschäfte nach und nach aufgeben und den schrecklichen Filialen irgendwelcher Ketten den Platz überlassen. Nun macht auch noch die Lichtburg zu. Die Lichtburg war einmal ein wunderschönes Kino. Ein richtiges Prachthaus. Aber als die großen Verdauungsapparate der Filmauswertung kamen und mit ihnen die stinkenden Nacho-Käse-Dip-Schalen, die Coca-Cola-Pappeimer und die vollgesudelte Auslegeware, da war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Lichtburg schließen musste. Und in Wahrheit sind nicht die Multiplexkinos schuld, sondern die Kinobesucher.
Ich lese in der Sparkasse. Das Forum der Sparkasse befindet sich in einem gläsernen Turm, den die Bank mitten in Düsseldorf aufgestellt hat. Ist mir bisher entgangen. Im obersten Stockwerk dieses Turmes befindet sich ein Konferenzraum, und dort warte ich auf den Auftritt. Man hat mir ein kleines Büfett dorthin gestellt. Netterweise liegen dort auch auf einem kleinen Tellerchen eine Auswahl Schmerztabletten und Hustenbonbons, die ich dankbar vertilge. Der heutige Abend wird von Bettina Böttinger moderiert, die mich nach Kräften aufmuntert. Wir schauen auf Düsseldorf herab und diskutieren die Schönheit unserer Heimatstadt. Sie hat am Goethe-Gymnasium
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