In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
in die Augen, »du, mein Freund, hast irgendetwas damit zu schaffen, dessen bin ich mir sicher, und du wirst mir sagen, was du weißt!«
Cunrats Taktik war nicht aufgegangen.
»Herr, ich weiß nichts!«
»Dann werden meine Wachen dich jetzt in den Turm begleiten. Bei Kälte und magerer Kost fällt dir vielleicht doch noch etwas ein!«
So kam Cunrat in den Raueneggturm, der an der südlichen Ecke der Stadtmauer direkt am Seeufer stand. Der Vogt hatte nicht zu viel versprochen, und der Turm machte seinem Namen alle Ehre. Das kleine vergitterte Fenster hatte keinen Holzladen, und vom Wasser her pfiff ein bitterkalter Wind herein. Es war nur ein wenig altes Stroh auf den Boden gebreitet, und das Essen bestand aus dünner Kohlsuppe, die in einem Holznapf gereicht wurde. Seine Notdurft musste Cunrat in einer Ecke des Verlieses verrichten. Er versuchte, sie mit etwas Stroh abzudecken. Dann kauerte er sich in die andere Ecke auf den Boden und deckte sich so gut es ging mit seinem Wollmantel zu. Doch der Mantel konnte nicht verhindern, dass er zitterte vor Kälte und Angst. Angst vor dem, was auf ihn zukommen würde.
*
Poggio Bracciolini an Niccolò Niccoli, am 7. Tag im Januar, dem Tage nach Epiphanie, im Jahre des Herrn 1415
Ich, Poggio, sende Dir, meinem Niccolò, einen herzlichen Gruß zum Neuen Jahr! Mögen die Magier auch Dir ihre Gaben gebracht haben!
Wie das alte Jahr zu Ende ging, hast du von mir vernommen. Ich hoffe, dass ich dir in diesem Jahr mehr erfreuliche Dinge berichten kann! In der ersten Woche hat sich noch nicht viel ereignet. Die Gesandten der Stadt Köln und des Königs von Dänemark sind mit großem Gefolge eingetroffen, während der König schon wieder aus der Stadt fortgezogen ist. Hals über Kopf hat er sie nach dem Mord an dem Mailänder mit seinen Horden verlassen, sonst hätte sich wohl die gesamte Bürgerschaft gegen ihn empört. Zwar hat er sich nicht weit weg begeben, nur in den Vorort Petershausen jenseits des Rheinflusses, doch dieser untersteht nicht mehr der Gerichtsbarkeit der Stadt Costentz, sondern dem dortigen Benediktinerkloster.
Die Domus Petri soll übrigens an die Basilika des Apostels Petrus in der heiligen Stadt Rom erinnern. Ein hiesiger Bischof mit Namen Cunrat, inzwischen der Heilige Cunrat genannt, ließ sie wohl vor vielen Hundert Jahren zusammen mit vier weiteren Gotteshäusern nach römischem Vorbild errichten. So gibt es eine Kirche für den Heiligen Johannes, die unser San Giovanni in Laterano in Erinnerung rufen soll, die Bischofskirche wiederum ist der Muttergottes geweiht wie Santa Maria Maggiore in Rom, Sankt Lorenz wurde neu gebaut, und außerhalb der Mauer hat man – wie bei uns – Sankt Paul errichtet, nur dass die Stadtmauern inzwischen die Sankt-Pauls-Kirche in ihren Schutz heimgeholt haben. Man hat mir erzählt, dass jeder Pilger, der diese Kirchen besucht, einen vollkommenen Ablass erhalte, so als ob er dieselben Kirchen in Rom besucht hätte, ein nicht unkluger Schachzug des damaligen Bischofs! Denn mangels eines richtigen Heiligen (es gab zu jener Zeit hier wohl nur die Gebeine eines Heiligen namens Pelagius, der aber nicht sehr bedeutend war und ist) bot dies die einzige Möglichkeit, Pilger in die Seestadt zu locken. So hat der Bischof Cunrat Gutes für seine Herde getan, und sie hat also gut daran getan, ihn zum Heiligen erheben zu lassen.
Sigismund sitzt nun im Hause des Petrus und muss sich überlegen, wie er den Costentzer Rat und den Mailänder Gesandten beruhigen kann. Er hat sich bereits für den Vorfall bei Ser Martino entschuldigt, aber ob das genügt? Wenn er den Schuldigen nicht bald benennen kann, dann wird wohl das ganze Konzil gefährdet sein. Am gestrigen Sonntag, dem Tag Epiphanie, fand die Beerdigung des armen Ermordeten statt, und stell dir vor, der Erzbischof Benedetti hat an seinem Grab die Gebete gesprochen! Gott allein weiß, was den intriganten Venezianer dazu getrieben hat, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er von irgendjemandem gut dafür bezahlt wurde. Aber ich war nur kurz zugegen, da es mir bald zu kalt wurde.
So furchtbar diese Kälte auch ist, so gewährt sie doch auch manche Freuden, von denen ich dir noch berichten will!
Mit einigen Prälaten und deren Gefolge bin ich vor zwei Tagen bei strahlendem Sonnenschein zur Insel Augia Maior, die die Einheimischen Richenow nennen, gefahren, mit einem Schiff den Fluss entlang, denn die Insel liegt rheinabwärts, dort wo der Strom wieder breit wie ein See
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